Kimono sind die traditionelle Kleidung Japans. Bis zum ersten Weltkrieg trugen viele Menschen, vor allem Frauen, täglich Kimono, heute werden sie aber meist nur zu besonderen Anlässen getragen. Für Frauen ist das die Zeremonie zum Eintritt in die Erwachsenenwelt (成人式 Seijinshiki), die Zeremonie zum Universitätsabschluss und möglicherweise die eigene Hochzeit. Für alle drei Gelegenheiten leihen die meisten die Kimonos und lassen sie sich auch anziehen.
Was ist da passiert?
Die Öffnung Japans: Die Westler kommen.
Als sich Japan Mitte des 19. Jahrhunderts nach über 200 Jahren Abschottung dem Rest der Welt öffnete, modernisierte es sich rasant. Männer begannen schon früh, auch westliche Kleidung zu tragen. Die Frauen trugen großteils Kimono, aber in den 20er Jahren begannen immer mehr von ihnen, außerhalb der eigenen vier Wände zu arbeiten. Viele der Uniformen waren an westlicher Kleidung orientiert und westliche Kleidung galt damals auch einfach als Zeichen von fortschrittlichem Denken.
Die Frauen, die sich Kleidung nach westlichem Vorbild schneidern ließen, nannte man Modern Girls oder Moga (モガ).
Aus dieser Zeit gibt es übrigens wunderschöne Kimono mit westlichen Mustern.
Der zweite Weltkrieg: Kein Stoff für Kimono.
Im zweiten Weltkrieg wurde dann der Monpe (もんぺ), eine Hose, die man über den Kimono ziehen kann, zur Standardkleidung gekührt. In großen Bereichen Japans waren Luftangriffe während des Krieges an der Tagesordnung und Kimono eignen sich einfach nicht für die Flucht. Außerdem sind Monpe so simpel, dass sie jeder zuhause nähen und reparieren konnte. Während des Krieges wurde beinahe die gesamte Textilproduktion auf die Versorgung der Armee ausgerichtet, für neue Kimono mangelte es einfach an Stoff.
Dazu muss man sich auch vor Augen führen, dass Kimono alle gleich geschnitten sind. Deswegen ändert nicht der Schnitt sich je nach Mode, sondern der Stoff. Ohne Stoff keine Mode.
Nach dem Krieg: Kimono werden teuer.
Westliche Kleidung ist günstiger zu produzieren als Kimonos. Das, die Leichtigkeit des Tragens im Gegensatz zu traditioneller japanische Kleidung, und wahrscheinlich auch ein großer Eifer, sich schnell zu modernisieren um mit dem Rest der Welt mithalten zu können, sorgten dafür, dass Kimono immer weniger als Alltagskleidung getragen wurden. Statt zu versuchen zumindest preislich zu konkurrieren, beschlossen die Kimono-Produzenten, Kimono als Luxusartikel zu positionieren. Zuerst ein riesiger Erfolg.
Die Hersteller sorgten auf verschiedenem Wege dafür, dass Kimono formeller wurden. Der normale Bürger hatte kaum noch Ahnung von Kimono und so konnten die Händler steuern, was gekauft wurde. Zuerst einmal erfanden sie verschiedene Ränge für Kimono und Obi: Für bestimmte Gelegenheiten durfte man jetzt nur noch bestimmte Kimono und Obi tragen. Das heißt nicht, dass die weniger eleganten Kimono günstiger gewesen wären, sie waren alle teuer, aber nur ein Kimono reichte nun nicht mehr.
Außerdem wurden die Regeln zum Tragen viel viel strenger und orientierten sich an traditionellen japanischen Künsten. Die Länge des Kimonos, wie genau er gefaltet werden muss, wo nichts abstehen darf, wie viele Zentimeter der Kragen des Unterkimonos (Nagajuban 長襦袢) herausgucken darf, … Das bedeutet letztendlich, dass Hanako Normalverbraucherin ihre fünf teuren Kimono oft nicht alleine anziehen kann. Oder zumindest nicht so, wie es diese strengen Regeln und die selbsternannte Kimono-Polizei verlangen.
Die negativen Folgen zeigten sich aber erst nach den Ölpreiskriesen in den 70er Jahren und dem Platzen der Immobilienblase in Japan Anfang der 90er Jahre wirklich.
Gegenwart: Teuer und nervig.
Japanischen Frauen sind Kimon oft einfach zu teuer und anstrengend. Wer kann es ihnen verdenken? Es besteht einfach keine Nötigkeit, Kimono zu tragen, und kaufen muss sie schon gar niemand.
Dass es auch anders geht, zeigen Yukata. Diese baumwollenen einfachen Kimono, die direkt auf der Haut getragen werden, kann man neu günstig kaufen. Anders als “richtige” Kimono sind sie nicht von Hand genäht und werden oft nicht in Japan produziert. Für Sommerfeste und Feuerwerke sind Yukata beliebte Kleidung und dank vorgebundener Obi sind sie auch nicht zu kompliziert anzuziehen.
Vowärts in die Vergangenheit!
Gebrauchte Kimono erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Weil die Nachfrage nach Kimono immer weiter sinkt, die Generation, die Kimono viel gekauft hat, diese aber loswerden möchte, sind Second Hand Kimono oft spottbillig. Klar, die Ärmel sind mir generell zu kurz (das ist aber auch bei westlicher Kleidung oft der Fall), aber wen interessiert’s? Falls es wirklich zu kalt sein sollte, ziehe ich halt statt eines Unterkimonos einen Pullover drunter.
Vor allem Kimono aus der Taishō-Ära (1912 – 1926) oder kurz danach sind gerade im Trend. Im Gegensatz zu vielen modernen Kimonos, deren Muster eher zurückhaltend sind, sind die Stoffe von damals farbenfroh und groß gemustert. Zwar habe ich mit meinen 171 cm Körpergröße oft kaum eine Chance, einen zu ergattern, aber das hindert mich nicht daran, antike Accessoires oder Haori-Jacken zu kaufen.
Mehr: In die Taishō-Ära zurückreisen im Hotel Tokyo Gajoen.
Mit diesem Boom kommt auch ein anderes Verständnis für Kimono: Kimono sind Kleidung. Nicht mehr, nicht weniger. Die ganzen Regeln sorgen dafür, dass Kimono als Mode oft keinen Spaß machen und behindern die Kreativität. Bei so manchen alten Fotos und Illustrationen würden sich der Kimono-Polizei wahrscheinlich die Zehennägel hochrollen, für mich sind sie eher Bestätigung darin, alles ein wenig lockerer zu sehen und vor allem mehr zu experimentieren.
Zum Glück sehen das immer mehr Leute so und werden immer präsenter. Der Kimono-Industrie an sich hilft das natürlich nicht viel, aber die Kultur bleibt am Leben und entwickelt sich weiter. Außerdem ist Second Hand gut für die Umwelt. 😉
Danke für den Einblick . Ich finde du siehst immer sehr elegant im Kimono aus und freu mich jedes Mal wenn ich ein Foto von dir im Kimono sehe .-)