Anfang Februar kam ein Film in die Kinos, auf den ich mich schon seit Monaten gefreut hatte.
Ursprünglich hatte ich beiläufig davon erfahren, dass eine Verfilmung eines schwulen Liebesromans bei den 35. internationalen Filmfestspielen Tokyos gelaufen war und im Februar auch regulär in den Kinos gezeigt werden würde.
Kurzerhand kaufte ich mir den Roman, weinte mich durch mehrere Taschentuchpackungen und las dann im Nachwort, von einem der Schauspieler des Films verfasst, dass “Egoist” in weiten Teilen auf der wahren Geschichte des Autors basiert und dass dieser unter anderem Namen Essays schrieb. Die Essay-Sammlungen hatte meine städtische Bibliothek auf Lager.
Zu sagen, dass ich die Veröffentlichung kaum erwarten konnte, wäre also untertrieben.
エゴイストEgoist (2023) (Trailer)
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Takayama Makoto
Regisseur: Matsunaga Daishi
Darsteller: Suzuki Ryōhei, Miyazawa Hio, Nakamura Yūko
Kōsuke, der mit jungen Jahren seine Mutter verloren hat, ist von der Kleinstadt nach Tokyo gezogen und arbeitet als offen schwuler Mann bei einem Modemagazin. Eines Tages lernt er Ryūta kennen, der versucht sich ein weiteres Standbein als Fitnesstrainer aufzubauen, während er sich finanziell um sich und seine kranke Mutter kümmert. Kōsuke fühlt sich von Ryūtas unschuldiger Art und seiner Fürsorge für seine Mutter angezogen, und als die beiden zusammenkommen, beginnt auch er, sich um die Mutter zu kümmern. Doch ein plötzlicher Schicksalsschlag stellt das Glück in Frage…
Wie so oft kam der Film natürlich nicht an das Buch heran, schließlich können wir auf dem Papier in die Gedankenwelt unserer Charaktere eintauchen. Wenn man die Romanvorlage kennt, fühlt es sich dann oft an, als würde ein essentieller Teil der Geschichte fehlen. Natürlich habe ich trotzdem im Kino geweint, denn die Darsteller haben absolut überzeugt.
Das ist bei Darstellungen von homosexuellen Paaren in den japanischen Medien oft nicht der Fall. Ich glaube, dass dafür zwei Gründe gibt. Erstens beruhen die meisten dieser Realverfilmungen auf Boys Love-Manga, also von Frauen geschriebenen Geschichten für Frauen, die mit der Lebensrealität von schwulen Männern in Japan eher wenig zu tun haben. Takayama Makoto, der Autor von “Egoist”, war ein schwuler Mann, der offen über seine eigenen Erfahrungen geschrieben hat. Das spiegelt sich auch in dem Umgang der Medien mit dem Film im Rahmen der Promotion wider – es geht endlich mal darum, wie schwierig es in Japan sein kann, nicht heterosexuell zu sein.
Mehr: Drei Manga mit Boys’ Love drin.
Zweitens nehme ich den Darstellern sonst meist einfach nicht ab, dass sie verliebt sind. Die meisten Bildschirmpaare wirken wie zwei heterosexuelle Männer, die beim Flaschendrehen Pech hatten. Dass in den meisten Serien kaum körperliche Zweisamkeit gezeigt wird, wohl auch um Angst ums Image, tut sein Übriges.
“Egoist” ist ab 15 Jahren freigegeben und hat das komplett ausgereizt. Vielleicht kein Film, den man sich mit seinen Eltern zusammen ansehen sollte, denn die Bettszenen sind recht ausgedehnt. Da das im Buch nicht annährend so ausführlich behandelt wurde, saß ich komplett unvorbereitet im Kinosessel. Ob das in dem Ausmaß nötig war – wahrscheinlich eher nicht, aber ich hoffe, dass der Film anderen Schauspielern zeigt, dass die Karriere durchaus nicht vorbei ist, wenn man auf der Leinwand einen anderen Mann küsst.
“Egoist” ist kein Film über Homosexualität, es ist ein Film über Familie und darüber, wie wir Liebe zeigen. Als Film ist er sicher nicht perfekt, aber er ist auf dem richtigen Weg. 🙂