Mein Mann mag keine Filme, die ihn verunsichert zurücklassen. Für ihn sollen Filme hauptsächlich Entspannung bieten. Ich hingegen habe kein Problem mit schwierigen Filmen. Also ging ich letztens alleine ins Kino.
Ein weiteres Buch von Minato Kanae wurde verfilmt. Minato ist nicht dafür bekannt, vor den Abgründen der menschlichen Psyche zurückzuschrecken: In ihrem 2010 verfilmten Roman “Geständnisse” (auch auf Deutsch erhältlich, ISBN 3328102914, auf zum Buchladen!) geht es darum, wie eine Lehrerin sich an den jugendlichen vermeintlichen Mördern ihrer 4-jährigen Tochter rächt.
Auch im neuen Film “Bosei” (母性), oder “Mutterschaft”, geht es um Mütter.
母性 Bosei (2022) (Trailer)
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Minato Kanae
Regisseur: Hiroki Ryūichi
Darsteller: Toda Erika, Nagano Mei, Daichi Mao
Eine Oberschülerin erhängt sich in ihrem Garten und wird von ihrer Mutter aufgefunden. In Rückblenden erzählen Mutter und Tochter abwechselnd von ihrem Leben, doch ihre Versionen der Geschehnisse weichen in entscheidenden Punkten voneinander ab.
Den Lebensmittelpunkt der Mutter bildet deren eigene Mutter, sie richtet alles auf sie aus – sogar die Wahl ihres Ehemannes. Selbst ihre Liebe gegenüber ihrer eigenen Tochter ist ein Mittel zum Zweck um die Aufmerksamkeit ihrer Mutter zu bekommen. Als ein Schicksalsschlag die Familie ereilt, spitzt sich die Situation weiter zu.
Ich erinnere mich, wie ich das Buch las und sauer auf die Mutter war. Die Authorin Minato Kanae ist unglaublich gut darin, die verworrenen Gedankengänge ihrer Protagonisten nachzuzeichnen ohne um Verständnis zu heischen. Der Film versucht das einzufangen, aber allein schon des Mediums wegen kommt man ihr nie so nah wie im Buch. Dafür ermöglicht einem der Film andere Charaktere klarer zu sehen: Die herrscherische Schwiegergroßmutter, bei der die Familie einzieht, ist zwar ein absolutes Biest, aber in Sachen Liebe hat sie der Mutter einiges voraus.
Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass der Film ein wenig versöhnlicher als das Buch war. Das Buch hinterlässt auf jeden Fall einen schaleren Nachgeschmack. Auch der Twist des Buches war im Film nicht eindrucksvoll umzusetzen. Schade, aber der Film ist dennoch empfehlenswert.