Nach dem Sushi geht es mit meinem Vater und meinem Mann zum Schloss Kanazawas (金沢城). Das wird abends angestrahlt, was wirklich schön aussieht. Nur ist es gar nicht so einfach, davon hübsche Fotos zu machen.
Die Grafschaft Kaga (加賀藩) war die zweitwohlhabendste in ganz Japan, weswegen man auch vom Kaga Hyakumangoku (加賀百万石) spricht. Goku ist hierbei eine Zähleinheit für Reis, und zwar ist ein Goku so viel, wie ein Erwachsener im Jahr isst. Das war damals mehr als heute (60kg pro Jahr), und zwar etwa 150kg. Früher wurden die Abgaben an die Großgrundbesitzer in Reis bezahlt, das Hyakuman (1,000,000) bezieht sich also darauf, wie viel Reis an Einnahmen reinkam: Einhundertfünfzigmillionen Kilogramm Reis!
Der Reis, den wir kaufen, kostet für 5kg etwa 2,300Yen (ca. 18,40€). 150 Millionen Kilo Reis würden uns also 69 Milliarden Yen oder etwa 552,5 Millionen Euro kosten. Puh. 8900km: Eure Quelle unnützen Wissens! 😀
Von der Schlossanlage war letztendlich dennoch nur noch wenig übrig, dafür hatten Feuer und Erdbeben gesorgt. Vor wenigen Jahren wurden aber viele Gebäude wiedererbaut, wobei das Schloss selbst fehlt.
Am nächsten Morgen ging es für uns wieder in die Nähe des Schlosses, und zwar zum Kenrokuen (兼六園), einem der drei berühmten Gärten Japans. Obwohl am Tor großer Andrang herrschte, und wir etwas Sorge hatten, ob wir den Garten genießen können würden, war es wirklich wunderbar. Wer gern alleine unterwegs ist, dem würde ich empfehlen, früh morgens vor acht Uhr vorbeizuschauen.
Im März, September und Oktober kann man ab fünf Uhr morgens rein, von April bis August schon um vier und von November bis Februar erst ab sechs. Zu diesen frühen Zeiten zahlt man noch keinen Eintritt, kann den Garten aber nur über zwei Eingänge betreten: Hasuikemon-Eingang (蓮池門口) und Zuishinzaka-Eingang (随身坂口).
Direkt neben dem Garten befindet sich die Schlossanlage, und da weder meine Mutter noch meine Schwester am Abend zuvor dabei waren, guckten wir sie uns noch einmal an.
In die Anlage kommt man immer kostenlos, und sie bietet wirklich viel Platz. Selbst mit viel mehr Besuchern wäre das absolut kein Problem gewesen.
Wir sahen uns an, wie die Wände zusammengebaut wurden, und liefen dann immer weiter nach oben, Schlösser und Burgen stehen auf Hügeln, bis uns die Wolken etwas zu verdächtig regnerisch vorkamen.
Alles kein Problem, nur wenige Minuten von Garten und Schloss entfernt kann man sich im 21st Century Museum of Modern Art, Kanazawa (金沢21世紀美術館) unterstellen.
Dort finden wechselnde Ausstellungen statt, wir sahen z.B. Bilder von Ikeda Gaku (池田 学). Der zeichnet unglaublich detailierte, fantastische Bilder, auf denen man immer wieder etwas Neues entdecken kann. Ein wenig wie “Wo ist Walter?”, nur noch kleinteiliger und noch verrückter – außerdem ohne Walter. 😉
Wenn ihr mal in Kanazawa sein solltet und keine Lust auf eine Ausstellung habt, oder nicht das Eintrittsgeld zahlen wollt, könnt ihr euch auch draußen Kunstinstallationen zum Anfassen ansehen oder die Pool-Installation, in der wir auf dem oberen Foto stehen, von oben bestaunen.
Einen weiteren kurzen Fußweg entfernt befinden sich alte Straßen mit alten Häusern, unter anderem dem Samurai-Haus der Familie Nomura (武家屋敷跡 野村家).
Natürlich gibt es in Japan recht viele Samurai-Häuser, die man besuchen kann, aber das hier verfügt über einen wunderschönen Garten. Als wir angekommen waren hatte sich gerade ein japanischer Familienvater breitgemacht, und wies seine Frau und seine Kinder sehr barsch an, wie sie für das Urlaubsfoto zu posieren haben. Ich weiß, wenn ich so etwas mitbekomme, immer nicht, warum einige Menschen sich einen dermaßenen Befehlston von ihrem Partner oder ihrer Partnerin gefallen lassen.
Als der Oberfeldmarschall und seine Untertanen abgezogen waren, setzten wir uns hin. Gute Japaner sitzen im Seiza (正座), also mit dem Hintern auf ihren Fersen. Dummerweise sind wir das gar nicht gewöhnt, und konnten uns nur unter starken Ächzen und Stöhnen wieder erheben. 🙂
Im Schein der langsam untergehenden Sonne liefen wir noch durch die alten Straßen und dann in Richtung Bahnhof. Auf dem Weg kamen wir am Oyama-Schrein (尾山神社) vorbei. Der sieht eigentlich aus, wie ein normaler größerer Schrein in Japan halt aussieht. Mit nur einem Unterschied: Über dem Eingangstor befindet sich ein kleiner Turm mit Buntglasfenstern.
Wenn man am frühen Abend dort vorbeikommt, sieht das ganz wunderbar aus. 🙂 Tatsächlich sind solche Buntglasfenster in Japan nicht alltäglich, schließlich haben wir nicht übermäßig viele Kirchen hier.
Auch ganz spannend: Die Talismänner, die normalerweise aus dem Tempelgebäude heraus verkauft werden, gibt es hier in einem richtigen Laden, komplett mit automatischen Schiebetüren und Klimaanlage. Das habe ich in Tokyo zumindest bisher noch nicht gesehen.
Als wir abends zurück zum Hotel liefen, kamen uns drei sehr betrunkene junge Männer entgegen. Sie befanden sich auf dem Weg von einer Hochzeitsfeier nach Hause, und boten uns entweder trotz oder auch wegen ihres Zustandes an, uns die Stadt zu zeigen. Wir gaben ihnen auf den Weg, dass sie doch erst einmal heil zuhause ankommen mögen.
Ich möchte nur einmal Hallo sagen und mich für die schönen Berichte bedanken. Bin zufällig hier gelandet und finde es sehr spannend, so viel über das Leben in Japan zu erfahren.
Alles Liebe
Jacqueline
Hallo Jacqueline, vielen Dank für den lieben Kommentar! 🙂 Es freut mich zu lesen, dass mein Blog dir Freude bereitet.
Kanazawa hat mir auch sehr gut gefallen, als ich 1991 dort war. Aber ich hab ja nicht halb so viel gesehen wie Ihr! An die Burg kann ich mich gar nicht erinnern. Aber die Samurai-Häuser und auch die Geisha-Häuser fand ich hochinteressant.
LG
Ulrike
Von der Burg gab es damals nur ein Tor, das ist eine neue alte Anlage. 🙂
Hab ich’s mir doch gedacht!
Ich mochte den Garten in Kanazawa auch sehr gerne!
Der Blick über den Teich und die schön angelegten Wege! *Hach*
Sehr interessant fand ich an der Burg auch wie gut man die Balkenkonstruktionen sehen konnte.
So schwere Balken und kein einziger Nagel! Sehr beeindruckend! 🙂
Schön dass man jetzt von Tokyo aus leichter nach Kanazawa kommen kann.
Dann schaffe ich die Reise vielleicht irgendwann auch nochmal ohne eine Reiseleitung. 🙂
LG,
Viola
Schöner Reisebericht…. bevor ich deinen Blog kannte war ich gar nicht an Japan interessiert, was sich total geändert hat 🙂
Schöne Bilder und schöner Bericht, ich mag auch nutzloses Wissen, das man nebenbei mitbekommt 🙂
Dein Bericht hat uns Japan naeher gebracht.
Liebe Gruesse
Monika
Hallo Monika,
Das freut mich natürlich sehr zu hören. 🙂
Irgendwann konme ich auch mal nach Kanazawa… *seufz*
Bis dahin gucke ich mir weiterhin deine schönen Garten Bilder an.