Das Wort zum Mittwoch: 平和ボケ.

mittwoch

Wenn ich in Berlin bin, muss ich viel von meinem Verhalten umstellen um nicht bestohlen zu werden. Wie viele Japaner leide ich an:

平和ボケ

平和ボケ (Heiwa-boke) ist, wenn man wegen all zu sicherer Rahmenbedingungen nicht mehr auf alles Acht gibt oder auch arg fahrlässig handelt. Das Wort besteht aus 平和 (Heiwa; Frieden) und dem Verb ボケる (bokeru; verschwimmen, senil werden).

Während man in vielen Orten wegen Taschendiebstahls und Trickbetrügern aufpassen muss, sind die folgenden Dinge in Japan komplett normal:

  • In einem Café das Handy oder die Tasche auf einen Tisch zu legen, um den Platz zu reservieren, während man bestellen geht.
  • Eine Tasche ohne Reißverschluss mit in eine volle Bahn nehmen.
  • Etwas in der Bahn vergessen und wiederbekommen.
  • Riesige Portmonees in die Hinterntasche der Hose stecken.*
  • Nicht besonders auf die Leute um einen herum achten.

* Bei Männern.

Und deswegen werden Japaner im Ausland bestohlen, was das Zeug hält. Weil wir alle verdammt ge-heiwa-boke-t sind. 😀 Ich muss in Deutschland immer etwas aufpassen. In letzter Zeit benutze ich aber auch keine Taschen ohne Reißverschluss mehr – ein Schritt in die richtige Richtung. 😉

17 Gedanken zu „Das Wort zum Mittwoch: 平和ボケ.

  1. Holger Drechsler sagt:

    Gestern in einer Dokumentation über die Umgebung von Fukushima: Eine sogenannte Security Patrol fährt durch die Orte mit verlassenen Häusern. Sie fahren jeden Tag zu dritt mehrere Orte an. Einer der “Polizisten” sagte, sie hätten schon einige Kriminalität jier. In den letzten paar Monaten hätten sie drei mal eingeschlagene Festerscheiben gesehen. Und einmal ist sogar jemand mit Straßenschuhen in ein Haus gegangen….

  2. Midori sagt:

    Ich habe lange überlegt, etwas zu schreiben, tue es aber doch.
    Bis jemand in Deutschland ausgeraubt wird, muss schon einiges passieren.
    Taschendiebstahl gibt es – übrigens wie überall auf der Welt – in sehr verhaltenem Maße.
    Eine Unterscheidung der Kleinkriminalität in Großstädte wie Berlin, München, Köln und Hamburg sowie bei Großveranstaltungen und dem Rest der Republik scheint mir durchaus angemessen zu sein. Ich selbst lebe in einer “Großstadt” und traue mich mit offener Tasche auf die Straße. Wie meine japanischen Freunde übrigens auch.
    Die Sache mit dem Handy und der Tischreservierung erinnert mich übrigens an die Unart, einen Strandplatz mit Badetuch zu reservieren. Gegen letzteres wird in europäischen Südländern neuerdings sogar vorgegangen.
    Am Ende bleibt wenigstens der Trost, dass man auf zahlungskräftige Japaner und deren Eigentum eingestellt ist, wenn man einen Blick nach London wirft, wo ich vor einigen Jahren bei Mitsukoshi große Warnschilder entdecken durfte, die Japaner vor Trickbetrügern und Taschendiebstahl warnten.
    Also mal nicht alles so heiß kochen… Deutschland ist ein sicheres (Reise-)Land und so schnell wird keiner ausgeraubt.

    • Claudia sagt:

      “Ausrauben” war ein schlecht gewähltes Wort, ich werde es in “bestehlen” ändern.
      Zusatz: Ich vergleiche, was ich kenne. Und das sind Berlin auf deutscher und Tokyo auf japanischer Seite. Wenn man sich die Einwohnerzahlen, Bevölkerungsdichte, etc. ansieht, sollte das eigentlich zum Vorteil von Berlin ausgehen. Tut es aber nicht.

    • Lio sagt:

      Also ich weiss nicht in welchem Teil von Deutschland du wohnst, aber doch, es werden hier im Ruhrgebiet täglich Leute ausgeraubt. Von wem ist hier grundsätzlich erstmal weggelassen, aber es vergeht kein Tag wo ich nichts davon lese, sehe oder zu hören bekomme. Eine japanische Freundin wurde ausgeraubt, weil sie ihren Rucksack für einen Moment aus den Augen gelassen hat. Weg war sie. Und ich halte meine Tasche im Zug immer geschlossen mit dem Reissverschlussteil nach vorne und behalte alles im Auge – es wird nicht umsonst jeden Tag an allen Bahnhöfen Ausrufe gemacht, sein Gepäck im Auge zu behalten, sich nicht von Fremden ansprechen zu lassen und generell vorsichtig zu sein, weil Trickbetrüger und Taschendiebe unterwegs sind. Diese rennen einen auch gern mal um. Das sehe ich täglich in Düsseldorf, Essen und co. Vor allem am WE und nachts wird’s besonders gefährlich, besonders wenn man einschläft. Dann sind Handy und Portemonnaie schneller weg als man Hilfe schreien kann.
      Also ich würde Deutschland, was Diebstahl angeht, niemals als sicheres Reiseland bezeichnen.

  3. Daniela sagt:

    Ok. Ich weiß, Berlin ist innerhalb Deutschland wirklich nicht der sicherste Ort. Damit habe ich mich abgefunden und habe das meinem Mann, der Japaner ist, auch immer wieder erzählt. In den letzten zwei Wochen hat man zwei Mal versucht, ihn zu beklagen, im der Bahn und auf der Rolltreppe hat man an seinem Rucksack rumgezuppelt. Im Supermarkt wird er oft um Wechselgeld beschissen. Muss dann Theater machen, was ihm schrecklich peinlich ist.

    Unter seinen Kollegen und Freunden sind viele Ausländer, Nichtasiaten. Denen passiert es nicht so oft. Kann natürlich auch nur Zufall sein, aber ich glaube schon daran, dass Japaner wegen des Heiwa boka leichtere Opfer sind, und sich das leider rumgesprochen hat.

    • Claudia sagt:

      Japaner sind im Ausland leider oft echt fahrlässig. Ich erinnere mich noch, wie mein Mann in Berlin war und mir zeigen wollte, wie viel Geld er umgetauscht hatte – 600€, draußen einfach so aus dem Portmonee geholt.

  4. Dommie sagt:

    Oh ja.
    Tasche oben ins Gepaecknetzt und schlafen?
    Wuerde ich in Deutschland im Leben nicht machen..und ich wohnte noch auf dem Land.
    Ich bin auch schon sehr an die Sicherheit in Japan gewoehnt und achte nicht mehr wirklich auf das Aussenherum.
    Man muss sich schon wieder zusammenreissen wenn es zurueck in die Heimat geht 😀

      • Dommie sagt:

        Ansererseit habe ich selbst dadurch auch immer mehr die Angewohnheit angenommen, gefundene Dinge zum Bahnhof/Koban zu bringen.
        Wirkt sich also auch positiv aus (manchmal)

        • Claudia sagt:

          Das mache ich auch. Fand letztens ein herrenloses 定期券. Bei den Preisen würde ich mich sooo ärgern, wenn ich meins verlieren würde, also habe ich es zum Bahnhof gebracht.

  5. nordetrotter sagt:

    Ich finde es toll, dass es in Japan offenbar so sicher ist und finde die beschriebende Sorglosigkeit direkt sympatisch.

    Vielleicht, weil ich mich so gut damit identifizieren kann ;-). Ich schlafe im Zug ständig ein, laufe mit offenem Rucksack durch die Gegend (“Entschuldigen Sie, aber Ihr Rucksack ist offen!), meine Handtasche hat keinen Reißverschluss und generell bin ich mit solchen Dingen viel zu unbekümmert, obwohl mir doch erst vor einem Jahr meine Kamera im Zug gestohlen wurde!

    Allerdings hatte ich auch zweimal mehr Glück als Verstand. Im April verlor ich meine Handtasche mit Handy, Portemmonnaie und allem auf einem Parkplatz (frage mich bis heute, wie ich das geschafft habe) – und eine ehrliche Finderin brachte sie mir bis vor die Haustür (deutsche Großstadt). Gestern verlor ich im Bus mein Portemmonaie und habe es abends auch unversehrt wiederbeommen. Puuh!

    • Claudia sagt:

      Meine Mutter hat auch immer so ein unverschämtes Glück. 😉
      In Japan gibt es unglaublich viele winzige Polizeistationen, wo man etwas abgeben kann, und die Bahnhöfe sind auch alle bemannt. An der Endstation geht einer durch alle Wägen, und was vergessen wurde, landet im Fundbüro. Es kommt wirklich kaum etwas weg, es ist unglaublich. 🙂

  6. mame sagt:

    passt nicht ganz zum thema, sorry, aber ich finde diese unart tische mit taschen, schirmen etc. zu reservieren auch furchtbar!

    wenn wir zu ikea essen gehen könnte ich mich jedesmal krumm-ärgern! man steht zur stosszeit an die 30. in der schlange fürs essen an. in der zeit hätte schon jemand andere seine komplette mahlzeit am reservierten tisch einnehmen können!

    auf eine beschwerde-mail unserereseits hat der ikea-hansi nur blabla und ist halt so geantwortet. 🙁

  7. Andrea sagt:

    Bin so frei, liebe Grüße zu hinterlassen: Das mit dem Ausgeraubt/Bestohlen (wie auch immer) werden, ist in Österreich (bin Österreicherin) teilweise nicht so schlimm, wie in anderen Ländern. Aufpassen muss man halt so oder so, wenn man was wertvolles mitnimmt.

    In Spanien ist vor vielen Jahren einer Bekannten – “Emma” – ein kleiner Reiserucksack ageraubt worden. Doch sie hat Glück gehabt, weil sie die wichtigsten Sachen (Pass, Brille ) im Koffer gehabt hat.

    Es kann also immer und überall etwas passieren oder man kann Glück haben. Ich würde sagen, das hat mit den Orten an sich nicht oder nicht nur etwas zu tun.

    Andrea

    • Claudia sagt:

      Das Ding ist, dass so ein kleiner Reiserucksack in Japan eben nicht einfach gestohlen wird, auch wenn da ein volles Portmonee und der Pass drin ist. Deswegen passen Japaner halt auch nicht auf. 😉

      • Andrea sagt:

        Das ist Glück. Vielleicht hätte die Bekannte, der das passiert ist, anstatt nach Spanien, nach Japan reisen sollen. 😉
        Den Tipp gebe ich ihr mal weiter, mal sehen, was sie dazu sagt.

        Herzliche Grüße

        Andrea

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert