Zwar schreibe ich manchmal über die Arbeit, aber bei mir herrschen großteils zumindest für japanische Verhältnisse paradiesische Zustände. Wenige Überstunden, Gleitzeit, kurz mal um den Kaisergarten laufen, Feuerwerk angucken, Mitarbeiterrabatt abstauben. 😉 Mein Mann ist auch in den öffentlichen Dienst geflüchtet.
Aber in Japan zu Arbeiten ist oft kein Zuckerschlecken. Die folgenden Abwandlungen bekannter Märchen sind alle mit dem Hashtag #社畜童話 (Shachiku Dôwa; Firmensklavenmärchen) auf Twitter veröffentlicht worden. Klingt nach Happy End, oder?
「おばあちゃんのお仕事はどうしてそんなに多いの?」
「それはね、人手が足りないからよ」
「おばあちゃんの帰りはどうしてそんなに遅いの?」
「それはね、当日中の至急案件が多いからよ」
「おばあちゃん、そのつらそうなお仕事本当に好きなの?」
「殴るぞ」
“Großmutter, warum hast du so viel zu tun?”
“Mein Kind, das ist weil wir nicht genug Leute für die ganze Arbeit haben.”
“Gromutter, warum kommst du immer so spät nach Hause?”
“Mein Kind, das ist weil wir viele Arbeiten an dem Tag, an dem sie aufgegeben wurden sofort erledigen müssen.”
“Großmutter, magst du denn diese anstrengende Arbeit?”
“… Ich schlag dich gleich.”
王子様は、死んだ白雪姫が収められている棺を見つけ、中にいる白雪姫の耳元で、こう呟きました。
「納期、明日だぞ」
白雪姫が突然目を開けました。それを見た王子様は、こう続けました。
「あ、それと、死んでいた間の給料は出ないからね」
それを聞いた白雪姫はマジで死にました。
Der Prinz sah das tote Schneewittchen in ihrem Sarg liegen, und flüsterte in ihr Ohr: “Morgen ist Abgabetermin.” Daraufhin öffnete Schneewittchen plötzlich ihre Augen. Als der Prinz das sah, fuhr er fort: “Ach so, und die Zeit die du hier tot warst, bekommst du nicht bezahlt.” Als Schneewittchen das hörte, starb sie wirklich.
兎は全力で駆け抜けました 動きの鈍い亀は遙か遠くに見えます すると、兎はゴール直前で上司に呼び止められ、追加の業務を渡されました デキるからと課された膨大な業務をこなす内、いつしか亀に追い抜かれ、亀は先に帰っていきましたとさ
Der Hase lief so schnell er konnte. Er sah die langsame Schildkröte in der Ferne. Kurz bevor er das Ziel erreichte, wurde er von seinem Vorgesetzten angehalten, und bekam zusätzliche Arbeit aufgebrummt. Während er den Stapel an Aufgaben abarbeitete, wurde er von der Schildkröte überholt, und die Schildkröte ging früher nach Hause.
シンデレラ「0時の鐘が、もう帰らないと終電が!」
王子様「待って、今仕様変更の連絡が」
シンデレラ「もう徹夜3日目なので帰ります!」
王子様「あ!」
王子様が拾ったものは『退職願』でした。
Cinderella: Die Uhr schlägt 12, ich muss nach Hause, die letzte Bahn fährt bald!
Prinz: Warte, ich habe gerade die Nachricht bekommen, dass wir hier noch etwas ändern müssen!
Cinderella: Ich habe die letzten drei Nächte durchgearbeitet, ich gehe nach Hause!
Prinz: Oh!
Was der Prinz aufhob war Cinderellas Kündigungsschreiben.
上司「0時になると魔法が解けてしまい、電車は止まり、暖房は消えて、元の冴えないおっさんに戻ってしまいます。0時までに仕事を仕上げるのですよ」
Der Vorgesetzte: “Der Zauber hält nur bis 12 Uhr, danach fährt die Bahn nicht mehr, die Klimaanlage wird ausgeschaltet, und ich verwandle mich wieder in einen verdrießlichen alten Mann. Wir müssen bis 12 Uhr mit der Arbeit fertig werden!”
Oder auch ganz simpel.
昔々、ある所に休日がありました。
Es war einmal eine Zeit, da gab es so etwas wie freie Tage.
Vielleicht doch eher Schauermärchen? 😉
fehlt noch: Yosuke wurde gefeuert, weil sein Chef sich in seinem Märchen wiedererkannte 😉
Sehr schöner Beitrag!
Leider ist das so weit verbreitet, dass sich da beinahe jeder Vorgesetzte wiedererkennen sollte…
ein sehr interessanter Beitrag, wusste gar nicht, dass es solche “Märchen” im Umlauf gibt XD
Hm… Eigentlich gibt es da noch was anderes als Arbeit. Das Leben nämlich. Oder täusche ich mich? Exestiert Teilzeit in Japan?
Ist schon schwer zu verstehen, warum es Menschen gibt, die ihr gesamtes Dasein damit verbringen, irgendwelchen Träumen (Riesenhaus, Luxusauto, Fette Uhr am Handgelenk, Prada Tasche ;-), Schmuck…) hinterher eifern. Oder muss man in Tokyo wirklich 60 Stunden pro Woche für eine 25 Quadratmeterwohnung ackern? Na obwohl… kommt wohl auf den Job an. Z.B. Kartoffelschäler. Und da stellt sich doch die Frage warum man überhaupt dann dort lebt. Wie ist es mit dir Claudia? Welche Gründe sind es bei dir? Wäre doch eine tolle Gelegenheit für einen neuen Blogbeitrag. 10 Gründe in Tokyo zu leben.
Es gibt Teilzeit, aber hauptsächlich für Frauen (die müssen sich schließlich um den Haushalt kümmern…). Die Leute arbeiten übrigens nicht etwa so viel, weil sie irgendeinem Luxus nacheifern, es ist einfach der Normalzustand.
In den achtziger Jahren gab es hier die Bubble, in der unglaublich viel Geld herumging. Wer hart arbeitete, bekam viel Geld, konnte sich ein Haus kaufen, usw. usf. – Work hard, Play hard. Diese krassen Arbeitsbedingungen stammen aus dieser Zeit.
Inzwischen fließt nicht mehr so viel Geld, aber die Arbeitsbedingungen ändern sich nur langsam. Irgendwo las ich “In der Bubble gab es Zuckerbrot und Peitsche, heute ist das Zuckerbrot verschwunden. Die Peitsche ist noch da”. Die Mentalität der jungen Leute ändert sich, sie wollen nicht ewig arbeiten, aber ihre Vorgesetzten sind in der Bubble aufgewachsen. Leider höre ich oft von der Mentalität “Ich habe damals hart gearbeitet, die Leute heute sind viel zu weich, die müssen abgehärtet werden und auch hart arbeiten” – obwohl die Erwartungen ans Leben und auch der Gegenwert für diese Arbeit sich stark geändert haben.
Warum ich “trotzdem” in Tokyo lebe: Wie ich oben im Eintrag schrieb, arbeiten mein Mann und ich nicht in “normalen japanischen Firmen”. Unsere Arbeitsbedingungen sind um einiges besser als es diese Twitter-Nachrichten vermuten lassen. Wir sind zwar trotzdem keine großen Tokyo-Fans, aber mein Mann ist hier aufgewachsen und unsere Arbeitsplätze sind hier (rate mal, wie viele internationale Firmen sich in kleinen beschaulichen Orten niederlassen…).
Achso, ich verstehe. Nur wenn das der Normalzustand ist, oh wei. Die Sache mit den Arbeitszeiten in japanischen Firmen hatte ich früher bereits wo anders gelesen (http://samurai-biker.blogspot.de/), btw toller Typ der Mann (Coolio), seinen Blog komplett zu lesen war es wirklich wert. Ich wollte deine Meinung dazu wissen. Er hat noch zusätzlich gemeint: Das sich dabei aber (fast) keiner K.O. arbeiten muss. Leistungstechnisch her, nur täglich elendig lange im Betrieb bleiben. In einem (bzw. mehreren) seiner Beiträge hat er das hervorragend beschrieben.
Oh, da hat er recht. Es kommt natürlich auf die Firma an, aber japanische Firmen sind oft nicht besonders zeiteffektiv. Viele Meetings, in denen letztendlich wenig raus kommt, viel drumherum, aber letztendlich weniger Wertschaffung pro Stunde als z.B. in Deutschland.
Außerdem hat Japan eine absolute Servicekultur, wenn der Kunde um 6 Uhr abends sagt, dass die Änderungen bis zum nächsten Tag fertig sein müssen, dann wird das oft gemacht. Geht zulasten der Mitarbeiter, wofür sich aber niemand interessiert, ist schließlich die Norm…