Wo das Leben endet.

Gestern bekam ich eine Nachricht von meiner Schwiegermutter. In 本八幡 (Motoyawata) sei eine junge Frau erstochen worden und schwer verletzt, der Täter sei auf der Flucht, ich solle bitte auf mich aufpassen.

Motoyawata ist ganz in der Nähe, nur eine Bahnstation entfernt. Eigentlich hatte ich an dem Tag sogar vor dorthin zu fahren, weil ich zum Bürgeramt wollte. Da mein Mann aber frei hatte, wurde ich von der Arbeit abgeholt und wir sind Weihnachtsgeschenke einkaufen gegangen.

Auf dem Heimweg fuhren wir in der Nähe des Tatorts vorbei, es wimmelte von Polizei, Helikopter flogen durch den Nachthimmel. Auf meine Frage, wie die Polizei denn im Dunkeln aus der Luft den Täter fassen möchte, antwortete mein Mann nur verwundert, dass das natürlich nicht die Polizei sondern die Massenmedien seien.

Schüler der Oberschule an der wir vorbeikamen wurden von ihren Lehrern zumindest bis zur Bushaltestelle eskortiert und dort und vorm Krankenhaus war Polizei anwesend.

Trotzdem war der Täter noch nicht gefasst und kaum Informationen über die Hintergründe der Tat bekannt. Die waren für uns wichtig, weil es in Japan immer wieder Verbrechen gibt, bei denen Menschen wahllos töten. Einer der bekanntesten Fälle in dieser Richtung dürfte das Massaker in Akihabara von 2008 sein.

Damals fuhr 加藤 智大 (Katô Tomohiro) mit einem Laster in die Menschenmenge, wobei drei Menschen ums Leben kamen und zwei verletzt wurden. Danach stach er mit einem Messer auf zwölf Personen ein, vier davon starben. Keines der Opfer hatte eine Verbindung zum Täter, sie waren einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.

Solche Täter sind also absolut unberechenbar. Ein vermeintlich unberechenbarer Mörder, die erstochene Frau war inzwischen in Folge ihrer Verletzungen gestorben, in meiner Nachbarschaft. Na vielen Dank. Diese Nacht hatten wir also die Alarmanlage scharf gestellt.

Inzwischen ist der Täter gefasst. Es handelt sich bei ihm um einen Ex-Freund des Opfers, sie hatte bereits Rat bei der Polizei gesucht, weil sie sich von ihm bedroht fühlte. Nach der Attacke, die auch der Verlobte des Opfers und ihre Tochter miterleben mussten, floh er zum Bahnhof und wurde heute auf 八丈島 (Hachijôjima), einer Insel vor Tokyo, festgenommen.

Heute bin ich zum Bürgeramt gegangen, direkt am Tatort vorbei. Vorbei an abgelegten Blumen und einem Fernsehteam. Einige Helikopter surren noch immer durch den Himmel. Schnell nach Hause, Mann bekuscheln, wieder sicher fühlen.