Wie immer sind all meine Eindrücke total subjektiv und ich bin mir sicher, dass jede europäische Frau in Japan ganz eigene, durchaus auch von meinen abweichende, Erfahrungen gemacht hat. Mir ist auch bewusst, dass dieser Eintrag wie Selbstbeweihräucherung klingen könnte, ich glaube aber genauso wenig alles Gute wie alles Schlechte, was über mich gesagt wird.
Wenn ich durch die Straßen Tokyos laufe, bin ich mir nicht in jedem Augenblick bewusst, dass ich anders aussehe als die meisten Menschen in meiner Umgebung. Natürlich weiß ich es, aber es ist nichts, worüber ich ständig nachdenken würde.
Mir ist auch bewusst, dass ich nicht komplett schlecht aussehe, aber seit ich in Japan bin, bekomme ich haufenweise Komplimente von Japanern für Dinge, über die ich mir noch nie Gedanken gemacht habe. Das ist komisch und vor allem Anfangs habe ich stark an der Authenzität solcher Komplimente gezweifelt und versucht mich zu erklären*, inzwischen lächle ich es einfach weg.
* “Ich bin aus Europa, da ist das halt so”
Was macht mich also so wundertoll?
1. Große Augen.
Japaner haben die verschiedensten Augenformen, und sie haben alle Namen. Die drei häufigsten sind 一重 (Hitoe), ohne Lidfalte, 二重 (Futae), mit Liedfalte und 奥二重 (Okubutae), die zwar eine Liedfalte haben, die aber so versteckt ist, dass man sie kaum sieht. Mein Mann gehört laut Eigenaussage zu letzterer Kategorie, so gut wie alle weißen Europäer zu der zweiten (二重 Futae). Mit Lidfalte sehen Augen meist größer aus, was als schön angesehen wird. Deswegen ist die am weitesten verbreitete Schönheitsoperation in Japan auch das künstliche Erstellen einer Lidfalte und viele versuchen sich eine Lidfalte hinzukleben (YouTube-Video dazu). Ich habe einfach so eine.
2. Kleiner Kopf
Als ich 2008 in einem deutschen Restaurant arbeitete, sagte eines Abends ein Gast zu mir, dass mein Kopf so klein wäre. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, weil ich keine Ahnung hatte, ob das ein Kompliment ist oder nicht. Ist es. Aus irgendeinem Grund haben viele Japaner ein Problem damit, dass ihre Köpfe so groß sind. Also sie sind gar nicht so groß, aber irgendwie nehmen sie es so wahr. Mein Kopf ist tatsächlich kleiner als der europäische Durchschnitt, weswegen ich mir nie normale Hüte kaufen kann, nur in Japan ist das irgendwie toll.
Japaner haben meist einen eher flachen Nasenrücken, aus irgendeinem Grund finden sie aber hohe Nasen total toll, während in Europa die Frauen mit den Puppennasen in der Werbung sind. Ich habe “zum Glück” eine ziemlich hohe Nase, die ich in Deutschland nie mochte und die einen Schatten auf den Rest meines Gesichts wirft. Ich bin ja der Meinung, dass so eine kleine süße Nase auf Fotos viel besser aussieht, aber während ich Probleme mit zu vielen Winkeln in meinem Gesicht habe, finden Japaner ihres oft zu flach.
4. Weiße Haut
Helle Haut ist japanischen Frauen wichtig. Während Kinder im Sommer meist stark gebräunt durch die Gegend hopsen, versuchen die Erwachsenen bloß nicht zu viel Sonne abzubekommen um ja nicht ihren Teint zu zerstören. Es gibt natürlich auch Ausnahmen, aber im Sommer verstecken viele ihre Arme unter UV-abweisenden Stulpen und ihr Gesicht unter einer Sonnenblende. Ich frage mich immer, wann sie sich an ihrer Blässe überhaupt freuen können, wenn sie eigentlich den ganzen Tag vollstens vermummt herumlaufen. Ich habe relativ helle Haut und obwohl ich natürlich auch braun werde, bekomme ich häufig gesagt, wie toll weiß doch meine Haut sei.
Es ist also manchmal so, als wäre ich Superwoman. Mensch 2.0, nur durch Herkunft und äußere Merkmale. Während Ausländer in der Printwerbung für japanische Firmen eher selten auftauchen, gibt es zumindest zwei “Produkte”, für die weiße Frauen gern verwendet werden: Zahnhygiene und Hochzeiten.
Die ゼクシィ (Zexy) hat jeden Monat weiße Models auf dem Titel und auch in Werbungen für Wedding Halls wimmelt es nur so von kleinen blonden Blumenmädchen und weißen Gästen. Warum genau das so ist weiß ich nicht, und auch wenn ich Theorien habe, gibt es sicher viele besser ausgebildete Menschen als mich, die es erklären können ohne sich zum Affen zu machen.
Das Problem ist natürlich, dass man trotzdem noch immer Ausländer ist und auch so behandelt wird. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich gehört habe, dass japanische Männer nie eine ausländische Frau heiraten würden. Für eine Beziehung, ja, aber den Eltern vorstellen und heiraten? Niemals!
Die ganzen Frauen mit japanischen Ehemännern, die ich kenne, haben das sicher andere Erfahrungen gemacht. 😉
Letztendlich hat man es aber als weiße Frau sicher einfacher als viele andere Ausländer in Japan, was sicher in geringerem Maße auch etwas damit zu tun hat, was für Leute aus einem bestimmten Land einwandern. So wie man in Deutschland oft das Vorurteil vom schlecht ausgebildeten Rumänen, der für ein höheres Gehalt nach Deutschland gekommen ist, hat, gibt es hier natürlich auch ähnliche Vorurteile bezüglich Zuwanderern aus Asien. Nur dass hier manche Dinge durch geschichtliche Geschehnisse noch etwas mehr Ladung haben.
Es ist also eine sehr eigenartige Situation für mich in Japan zu leben. Einerseits bekomme ich Komplimente und Leute wie ich werden in der Werbung oft als schöner als Japaner dargestellt, andererseits wird, bewusst oder unbewusst, versucht, mich auf Armeslänge zu halten.