Das Fuchsdorf.

Wenn man sich verschiedene Japanblogs und Japanvlogs anschaut, stolpert man über kurz oder lang über das Zaō Kitsune Mura (蔵王キツネ村).

In den Bergen der Vulkankette Zaō in Miyagi kann man flauschige Füchse besuchen, die dort laut Website “in weiter Natur frei gehalten werden”. Eine recht einzigmalige Gelegenheit, meist sind Füchse doch ziemlich scheu.

Ich wollte also hin zu den Füchsen, und als eine deutsche Freundin nach Japan kam, wurde kurzerhand ein Plan geschmiedet. Auf dem Weg nach Sendai (仙台) würden wir eine Station früher aussteigen und das Fuchsdorf besuchen.

Vom Bahnhof Shiroishi-Zaō (白石蔵王) aus erreicht man das Fuchsdorf nur mit dem Auto oder Taxi, die Fahrt dauert etwas weniger als eine halbe Stunde. Die Taxifahrer wussten übrigens direkt Bescheid, offensichtlich verirren sich Ausländer nur dann dorthin, wenn sie sich das Fuchsdorf ansehen wollen.

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Nachdem wir 1,000¥ (ca. 8,15€) für den Eintritt bezahlt hatten, öffnete sich die Tür zum Fuchsdorf – und wir waren schockiert. Kleine Füchse, nur wenige Monate alt, zusammengepfercht in kleinen Gitterkäfigen; ausgewachsene Füchse an viel zu kurzen Ketten; ausgewachsene “Streichelfüchse” in winzigen Käfigen…

Wir waren unglaublich enttäuscht. Weder auf der Website, noch in anderen Blogs hatte ich gelesen oder gesehen*, dass die Tiere eben nicht alle in der “großen weiten Natur frei gehalten werden”. Dass das gar nicht gehen würde, ist klar: Füchse leben normalerweise weder in großen Gruppe noch auf engem Raum; sie würden die kleinen Füchse wahrscheinlich einfach zerfleddern.

Trotzdem könnte man sicher auch die kleineren Füchse in ein größeres Gehege verlegen, dann eben eines speziell für Jungtiere.

* Das ist ein Fall von “Wenn man es weiß, erkennt man es auch auf den Fotos”. 🙁

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Das große Gehege, was auch immer in Fotos und Videos gezeigt wird, ist übrigens durchaus nett gemacht. Viele Bäume, viel Grün, viele Orte, an denen die Füchse ausspannen können. Es sind natürlich trotzdem viel zu viele Füchse auf viel zu wenig Raum, aber im Vergleich zu den Käfigen erscheint es fast wie ein Paradies.

Leider scheinen viele Japaner, wenn es um Tierhaltung geht, gar kein Problembewusstsein zu haben. Ich habe zumindest keine Japaner gesehen, die sich über die kleinen Käfige echauffiert hätten, und die kostenpflichtigen “Knuddelveranstaltungen” mit den Babyfüchsen waren gut besucht. Schließlich sind Füchse so süß, die muss man einfach drücken. Dass die Füchse zumindest tagsüber ganz ohne Kuscheleinheiten von ihren Elterntiere auskommen müssen, ist scheinbar egal… 🙁

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Vielleicht war ich auch zu naiv, und hatte trotz gegenteiliger Erfahrungen zu viel Hoffnung, dass es dieses Mal besser sein würde. Das schlechte Gefühl in der Magengrube war umso ausgeprägter. Ich werde in Zukunft genauer darüber nachdenken, ob ich mir wirklich Tiere hautnah anschauen muss. Das ist zwar schade, aber ich möchte solche Anlagen nicht weiter unterstützen.

Alle anschnallen bitte.

(c) JAF

(c) JAF / In etwa “Wir schnallen uns auch auf den Rücksitzen an”

Japan. Ein fortschrittliches Land. Manche Dinge sind anders als zuhause, und das ist okay. Es gibt nur ein Thema, über das ich mich regelmäßig aufrege: Anschnallen.

Aus irgendeinem Grund ist das Anschnallen auf den Rücksitzen nämlich erst seit Mitte 2008 Pflicht*, was natürlich heißt, dass viele es gar nicht als nötig erachten. Nun ist mir das bei Erwachsenen recht egal, wenn sie in einen Unfall verwickelt werden und sterben, ist das allein ihre Verantwortung.

* 後部座席シートベルト着用義務 (Kôbu Zaseki Shîtoberuto Chakuyô Gimu; Sitzgurt-Anlege-Pflicht auf den Rücksitzen)

Die ganzen unangeschnallten Kinder bereiten mir viel größere Kopfschmerzen.

Bei meiner alten Arbeit bot mir eine Mama an, mich bis zum Bahnhof im Auto mitzunehmen. Neben mir saß ihr 4-jähriger Sohn – bzw. hüpfte er im Auto herum. Die Anschnallgurte waren unter die Sitze gestopft. Auf meine Bitten sich doch zumindest hinzusetzen, stimmte seine Mutter mir zu “Hörst du Yûto, du sollst dich hinsetzen” – Wenn du das willst, setze ihn auf einen Kindersitz und schnalle ihn an. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich unangeschnallte Kinder auf Hinter- und Vordersitzen oder dazwischen gesehen habe. Das gleiche gilt fürs Fahren mit Baby auf dem Schoß.

Wenn wir auf der 高速道路 (Kôsokudôro; unsere japanischen Autobahn) fahren, sehe ich öfter in den Autos um uns herum mehere Gestalten auf den Rücksitzen herumturnen – unangeschnallte Kinder, bei 100 km/h. In Deutschland undenkbar.

スクリーンショット 0027-08-07 7.14.54Erst diese Woche gab es in 名古屋 (Nagoya) einen Unfall. Ein Sportwagen fuhr in einen Familienwagen, die zwei unangeschnallten Kinder wurden aus dem Auto geschleudert. Die 8-jährige Tochter verstarb daraufhin im Krankenhaus, der 6-jährige Sohn wurde schwer verletzt. Mama, auf dem Fahrersitz, kam mit leichten Verletzungen davon. War ja schließlich angeschnallt.

Das Problembewusstsein fehlt. Was soll denn schon passieren, ich fahre schließlich vernünftig. Da gibt es dann eben Fragen im Internet wie “Ist es jetzt gegen das Gesetz, wenn ich mein Kinder nicht anschnalle? Wie hoch ist die Strafe?” – Man sollte Kinder nicht aus Angst vor Strafzahlungen anschnallen, sondern weil sonst eine reelle Gefahr für ihr Leben besteht. Mir ist klar, wie nervig Kinder Anschnallgurte finden, und wie anstrengend das sein kann. Zähneputzen finden die meisten Kinder viel schlimmer, tun müssen sie es trotzdem.

Immerhin ist das erste Suchergebnis wenn man im japanischen Google nach シートベルト (Shîtoberuto; von “Seatbelt”) sucht, diese Seite von der japanischen Polizei. Leider ist die Seite super alt, und selbst die Informationsvideos muss man sich erst herunterladen um sie sehen zu können.

Ich werde also wahrscheinlich noch einige Male schockiert den Kopf schütteln…

Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten.

via App Store

alle via App Store

Hände hoch, wer von euch nimmt sein Smartphone mit auf die Toilette?

Ich persönlich ja nicht, aber es scheint durchaus weit verbreitet zu sein. Was macht also eine Toilettenfirma, die immer neue Innovationen für Toiletten erfinden und an den Mann bringen muss?

Die Toilettenfirma LIXIL hat eine App entwickelt. Eine Toiletten-App. Für iPhone und Android. Weil Japan.

Nun kann man mit modernen japanischen Toiletten sowieso mehr anstellen als mit deutschen: Nach dem Geschäft kann man sich diverse Körperteile mit Wasser säubern lassen, einige Toiletten föhnen dann auch gleich noch, und Musik/Wassergeräusche um die Geräusche des Geschäfts zu übertönen kann man auch oftmals anstellen.

スクリーンショット 0027-02-23 6.40.22Nun gibt es natürlich zu jeder dieser Funktionen, die ich nie nutze, Einstellungen. Wie warm soll das Wasser sein, dass meinen Hintern abspritzt? Wo muss der Strahlkopf positioniert sein, um perfekt zu treffen? Wie breit muss dieser Strahl sein? Wie hoch der Wasserdruck? Fragen, die einen Nachts nicht schlafen lassen.

Und dann, wenn man nach schlaflosen Nächten endlich die perfekte Einstellung gefunden hat, kommt jemand und verstellt es. Damit das nicht mehr passiert, kann man mit der LIXIL App ein Profil für jeden erstellen. Damit jeder das perfekte Toilettenerlebnis hat.

Außerdem berechnet einem die App, wie teuer die Benutzung der Toilette ist. Nicht, dass man im Armenhaus landet, weil man die Toilette zu oft besucht.

スクリーンショット 0027-02-23 6.40.06Mein liebstes Feature ist aber das トイレ日記 (Toire Nikki; Toiletten-Tagebuch) mit seinem うんちカレンダー (Unchi Calendar; Kack-Kalender*). Damit kann man seine Ausscheidungsgeschichte ganz präzise nachverfolgen. Mit niedlichen Illustrationen von Kackhaufen. Warum? Warum nicht!

Wir werden wahrscheinlich keine tolle Toilette mit Bluetooth kaufen. Erstens möchten wir keine 2.000€ für eine Toilette ausgeben und zweitens – ist es wirklich technischer Fortschritt sein Handy mit seiner Toilette zu verbinden?

* Unchi ist Kindersprache, wird aber auch von Erwachsenen verwendet. Für alle, die 便 (ben; Stuhl) zu förmlich finden.

Blutgruppen, und warum Japaner sie wichtig finden.

Irgendwann fragen einen die meisten Japaner, welche Blutgruppe man hätte. Das Gespräch läuft meiner Erfahrung nach fast immer folgendermaßen ab:

Japaner: Welche Blutgruppe hast du?

Ich: Ich glaube A/B/AB/O*.

Japaner: Habe ich mir gedacht!

Ich: Okay…

* Blutgruppe 0 (Null) ist in Japan Blutgruppe O.

Viele Japaner glauben daran, dass die Blutgruppe den Charakter beeinflusst, und dass man deswegen vom Charakter auf die Blutgruppe schließen kann. Um 1914, 14 Jahre nach der Entdeckung der Blutgruppen durch den Österreicher Karl Landsteiner, begann ein japanischer Arzt zum Zusammenhang zwischen Blutgruppe und Charakter zu forschen. Spoiler Alert: Es gibt keinen.

Blutgruppe und Kompatiblität - Mit A, B, O, AB und dem Sternzeichen die derzeitige Beziehung eindeutig verstehen.

Blutgruppe und Kompatiblität – Mit A, B, O, AB und dem Sternzeichen die derzeitige Beziehung eindeutig verstehen.

Irgendwie ist das aber nicht bei allen Japanern durchgesickert und so gibt es im Fernsehen und in Zeitschriften Blutgruppen-Horoskope. Wie Horoskope mit Sternzeichen, nur simpler. Dass die kompletter Quatsch sind, verstehen die meisten Leute noch. Doch selbst mein Mann, der eigentlich genau weiß wie unsinnig es ist, versucht die Blutgruppe von Leuten anhand von Charaktereigenschaften zu erraten. Das ist irgendwie sehr tief verankert.

(Kommentar meines Mannes und meiner Schwiegermutter: 日本人の常識だよ! (Für Japaner ist das Allgemeinwissen!))

Aber welche Blutgruppe passt eigentlich zu welchem Charakter?

Blutgruppe A: Aufmerksam, sensibel und einfühlsam, nimmt Rücksicht auf andere Personen, unterstützt alle um sich herum, hält sich selbst zurück um keinen Konflikt zu provozieren, muss erst von etwas überzeugt sein um daraufhin zu handeln, lässt nicht die Sau raus, liebt Ordnung, teilt Dinge schnell in Schubladen ein, ist ausdauernd, fleißig und ein sicherer Autofahrer.

Blutgruppe B: Macht Dinge in seiner eigenen Geschwindigkeit, denkt nicht so sehr an andere und zieht sein eigenes Ding durch, hält sich nicht an Regeln und dreht manchmal am Rad, optimistisch, mag Menschen und öffnet jedem sein Herz, hält keine Fassade aufrecht, hat Angst Freunde zu verlieren, wird schnell einsam, ändert schnell die Meinung und den Standpunkt, ist flexibel, pragmatisch, jagt seinen Träumen nicht hinterher, macht gern einen drauf, verliebt sich schnell, mag Feste, und hängt sich nicht an gescheiterten Beziehungen auf.

Blutgruppe AB: Perfektionist, sehr materialistisch und von Begehren getrieben, psychisch belastbar, jagt seinen Träumen und Idealen hinterher, denkt logisch, leicht verletzlich, hat einen etwas komplizierten Charakter, gibt seinem Privatleben Priorität, hasst es, wenn Leute sich einmischen, hat viele Hobbies, wissbegierig, Bücherwurm, hat weit ausuferndes Wissen, hat einzigartige Ideen, wirkt immer jugendlich, hat märchenhafte Hobbies (was auch immer das ist) und führt einfache Beziehungen.

Blutgruppe 0: Realist, denkt wirtschaftlich, finanziell unabhängig, stark in schweren Zeiten, romantisch, träumt davon auf einen Schlag reich zu werden, ambitioniert, zielstrebig, ist wie ein Elternteil oder eine große Schwester und kümmert sich um jüngere oder weniger erfahrene Menschen, ist anfangs sehr reserviert, taut aber auf, ist nicht auf Details fixiert sondern sieht die großen Zusammenhänge und liebt sehr intensiv, will den geliebten Menschen aber nur für sich.

So. Falls es euch noch nicht aufgefallen ist: A und O sind die “guten” Blutgruppen, die beinhalten, was für Japaner einen guten Menschen ausmacht. Natürlich sind einige Eigenschaften nicht ideal, aber das war wahrscheinlich um nicht allen A und O-Menschen einen Heiligenschein aufsetzen zu müssen.

B ist schwach und wankelnd, außerdem egoistisch und würde wahrscheinlich als “nicht für die japanische Gesellschaft brauchbar” eingestuft werden. AB ist zu individuell in einer Gesellschaft, die Gleichsein idealisiert. Ihr seht also, wenn jemand nur anhand seiner Blutgruppe eingeschätzt wird gibt es in Japan Gewinner und Verlierer.

Aber immerhin sind es mehr Gewinner als Verlierer, denn in Japan haben ca. 40% Blutgruppe A, 30% Blutgruppe 0, 20% Blutgruppe B und nur 10% Blutgruppe AB. 70% sind also “Gewinner”.

Mein Mann und meine Schwiegermutter waren übrigens felsenfest davon überzeugt, dass in China die meisten Blutgruppe B hätten, weil Chinesen so unhöflich und selbstbezogen seien. Nachdem ich mit ihnen dann mal durch den schönen “Blood type distribution by country” (Blutgruppenverteilung nach Land)-Artikel auf Wikipedia gegangen bin, stellten sie fest, dass das wohl doch keinen Zusammenhang haben könne. In China haben laut diesem Artikel 47.7% Blutgruppe 0, dieselbe wie die gesamte Schwiegerfamilie.

1409569342265Übrigens beantwortete ich die Frage am Anfang dieses Eintrags immer mit “Blutgruppe A”, weil meine Mutter mir gesagt hatte, dass das so sei. Bei einer Untersuchung wurde meine Blutgruppe mitgetestet, ich sei in Wirklichkeit Blutgruppe 0. Bei einer Blutuntersuchung beim Arzt fragte ich, ob man nicht meine Blutgruppe und den Rhesusfaktor mittesten könnte und jetzt habe ich einen Blutgruppenausweis.

Gerüchten zufolge ist sowas auch für etwas anderes als Zukunftsvorhersagen gut. 😉