Woher kommen die Erdbeben?

IMG_2095Überall im Land findet man Schilder wie das oben. Es bezeichnet eine 緊急交通路 (Kinkyû Kôtsû-ro; Notfallstraße), die im Fall einer Naturkatastrophe gesperrt wird, damit Rettungskräfte effektiv arbeiten können.

Aber was macht der glückliche Fisch mit dem lustigen Bart dort? Das ist ein ナマズ (Namazu; Amur-Wels).

Nach einer alten Legende leben unter Japan riesige Welse. Wenn die anfangen zu wüten, wackelt die Erde. Die Fische sind tatsächlich extrem empfindlich für Spannungsänderungen, sie wissen also, wenn ein Erdbeben kurz bevorsteht und bewegen sich panisch – damals hat man das einfach falsch herum gehabt.

Obwohl inzwischen natürlich jeder weiß, wie Erdbeben wirklich entstehen, kennt fast jeder die Geschichte von den Welsen. 🙂 Ist ja auch ein putzigeres Maskottchen für Notfallstraßen als — ich weiß nicht.

Wie würdet ihr Erdbeben grafisch darstellen?

Von Göttern und Wäldern.

 

Letztens fuhren wir im Auto mit den Schwiegereltern zurück nach Hause, an einem alten shintoistischen Schrein vorbei. Dieser Schrein ist gegenüber unseres Bürgeramtes, ich habe ihn also schon oft gesehen.

Shirazumori-Schrein (不知森神社), wörtlich in etwa Schrein des unbekannten Waldes, heißt er, und ist tatsächlich von einem Bambuswald umgeben, weswegen er immer im Schatten liegt. Der Wald, Yawata no Yabushirazu (八幡の薮知らず), darf nicht betreten werden – weil gesagt wird, dass man, wenn man hineingeht, den Weg nicht mehr zurückfindet.

Es gibt verschiedene Geschichten über ihn und darüber, warum er gefährlich ist. Eine besagt, dass sich das Tor des Todes, eines von acht Toren in einer alten Form der Wahrsagerei aus China, im Wald befindet. Eine andere, aus der Edo-Zeit (1603-1868), dass im Wald der Geist einer Weberin spukt. Des Nachts leiht sie sich die Webstühle und Garne aus den umliegenden Webereien und gibt sie am Morgen zurück – von Blut befleckt. Außerdem gibt es im Wald angeblich nicht nur einen Sumpf ohne Boden, sondern es steigen auch giftige Gase aus dem tiefsten Punkt des Waldes hinauf. So sagen zumindest die Legenden.

Was man nie vergessen darf: In Japan leben in allem Götter (神 kami). In jedem Wald und auf jedem Stück Land. Wer diese Götter erzürnt wird Opfer von Kamikakushi (神隠し) – man verschwindet oder verstirbt auf mysteriöse Art und Weise.* Deswegen werden z.B. vorm Hausbau shintoistische Zeremonien durchgeführt, damit kein Unglück geschieht. Übrigens nicht nur auf dem Lande, sondern überall. Japan hat keine Staatsreligion, aber die Menschen haben Respekt vor ihren vielen Göttern. Ich passe mich an.

Vielleicht ist der Kami dieses Waldes einfach kein besonders freundlicher Geselle.

* “Chihiros Reise ins Zauberland” heißt auf Japanisch “千と千尋の神隠し” (Sen to Chihiro no Kamikakushi; Sen und Chihiros Kamikakushi). Von wegen Reise.

Man hat versucht den Wald einzudämmen oder gleich ganz dem Erdboden gleich zu machen. Will jemand raten, was passiert ist? Ungeklärte Unfälle mit Todesfolge. Seitdem lässt man den Wald einfach in Ruhe. Den Tempel kann man zwar betreten, aber ich habe noch nie jemanden dort gesehen.

Und eigentlich glaube ich solchen Quatsch ja nicht, bin total rational und belächle jeglichen Aberglauben – aber in den Wald bekommen mich trotzdem keine zehn Pferde.

Japan hat einen neuen Feiertag.

Japan ist ein Land mit vielen Feiertagen. Mit derzeit 15 liegt es sogar vor dem deutschen Spitzenreiter Bayern. Die meisten dieser Feiertage sind nicht religiösen Ursprungs und nur an wenigen wird etwas Spezifisches unternommen. Um ehrlich zu sein weiß ich oft nicht, warum ich denn nun frei habe – ich erfreue mich einfach am zusätzlichen Tag.

Feiertag heißt in Japan übrigens nicht, dass man irgendetwas nicht unternehmen könnte. Büros, Kindergärten und Schulen haben zwar geschlossen, aber Läden, Supermärkte, Einkaufszentren, usw. sind natürlich geöffnet – wie auch jeden Sonntag. Es sind aus meiner Erfahrung aber eh eher die Büroarbeiter, die übermäßig lange Wochen haben, unendliche Überstunden vor sich herschieben und jedes Jahr wochenlangen Resturlaub auflaufen lassen*. Vor allem für sie sind die Feiertage Verschnaufpausen – oder sie bekommen zumindest einen Feiertagszuschlag, wenn sie doch arbeiten müssen. Wenn sie Glück haben.

* “Japaner arbeiten eben gerne” ist eine faule Ausrede. Japanern wird oft eingetrichtert, dass alles zusammenfallen würde, wenn sie mal ein paar Tage nicht da sind. Da ist jeder, der sich eine Woche frei nimmt schon fast ein Verräter.

Auf jeden Fall haben wir einen neuen Feiertag! 山の日 (Yama no Hi; Bergtag). Ab nächstem Jahr wird er wohl am 11.8. begangen werden und passt damit hervorragend in den Zeitrahmen einer japanischen Tradition die aus unerfindlichen Gründen nicht ihre eigenen Feiertage hat: お盆 (Obon), das Totenfest.

Offiziell heißt es, dass man an diesem Tag Berge besteigen und ihnen danken soll. August, der achte Monat, weil 八 (hachi; acht) wie ein Berg aussieht. In Wirklichkeit hatte der August bisher einfach keinen Feiertag. Welch Glück, dass diese Schande endlich ausgemerzt wurde!

Der neue Bergtag ist übrigens nicht der einzige naturverbundene Feiertag Japans: Wir haben noch 春分の日 (Shunbun no Hi; Tag des Frühlingsanfangs), みどりの日 (Midori no Hi; Grüntag), 海の日 (Umi no Hi; Tag des Meeres) und 秋分の日 (Shûbun no Hi; Tag des Herbstanfangs). Zu Recht fragte sich ein Politiker in Opposition des neuen Feiertages, ob dann nicht bald auch Flusstag, Sonnentag, Erdtag, Waldtag, etc. eingeführt werden müssten.

Die Büroarbeiter würden es ihnen danken. 🙂

Kabuki und Teezeremonie in Yokohama.

Letzten Sonntag war mein Mann nicht zuhause und ich war mal wieder bei einem MeetUp-Event! 🙂 Diesmal ging es um 歌舞伎 (Kabuki), eine Form des traditionellen japanischen Theaters. Was ganz spannend ist, ist das auffällige Make-Up und dass sämtliche Rollen von Männern gespielt werden – auch die Frauen. In Berlin war ich tatsächlich auch mal bei einer Kabuki-Vorstellung, aber ich weiß nicht mehr bei wem oder um was es ging.

IMGP2198Uns wurde erst Kabuki erklärt, bevor sich einige Teilnehmer Kostüme anziehen lassen konnten. Die Kimono sind wunderschön und so glänzend und glitzernd wie man es im Alltag nie sehen würde.

Inzwischen gibt es wohl niemanden mehr, der diese Art der Kleidung herstellen kann. Alte Kostüme werden einfach immer weiter repariert und getragen.

Das Kostüm stellte übrigens einen 獅子 (Shishi) dar, eine chinesische Sagenfigur, die einem Löwen ähnelt und häufig einfach als ebendieser übersetzt wird. Ihr kennt ihn vielleicht vom chinesischen Löwentanz. 🙂 Dazu gehörte auch eine riesige Perücke, die wohl auch super schwer war.

IMGP2281Später durften wir zuschauen, wie sich ein Kabuki-Schauspieler schminkt. Normalerweise bekommt man das eher nicht zu Gesicht, weil viel Konzentration erforderlich ist. Es ist wohl so, dass man an den benutzten Farben ganz einfach die Position eines Schauspielers ablesen kann: Rot für gute Menschen, blau für böse Menschen, weil sie kaltblütig sind, und braun für Tiere. Der Shishi ist natürlich an sich ein Tier, aber Sagentiere zählen wohl eher zu den Menschen dazu.

Danach durften wir uns einen Tanz ansehen und Fotos mit dem Schauspieler und seiner Assistentin machen. 🙂

IMGP2220Und dann war da noch die Teezeremonie. Zu trinken gab es 抹茶 (Matcha), den bitteren grünen Pulvertee, und alles lief streng nach Protokoll ab. Der Tee wurde wohl auch erst nicht einfach als Getränk für zwischendurch angesehen, sondern zur Entspannung und für medizinische Zwecke eingesetzt.

Teezeremonien finde ich an sich ganz nett, einem tun einfach nur irgendwann die Beine weh. 😉

Leider war es an diesem Tag wirklich kalt und das Event fand in einem alten Bauernhaus statt. Letztendlich zitterte ich also wie Espenlaub… Zum Glück sind die Bahnen noch beheizt. 😀