Feuerwerk aus einem anderen Blickwinkel.

Fotos von meinem Schwiegervater, weil er das einfach besser drauf hat. Wie viele Sehenswürdigkeiten erkennt ihr? 😉

In den letzten Jahren war ich bei einigen Feuerwerken. Natürlich sehe ich mir jedes Jahr das Feuerwerk unseres Heimatortes* an, ich war auch schon im Regen beim Feuerwerk in 足立区 (Adachi-ku; Bezirk Adachi), und sonst habe ich mir einfach vom Fluss aus die Feuerwerke in 墨田区 (Sumida-ku; Bezirk Sumida) angesehen. Zu einem Feuerwerk zu gehen ist allerdings ziemlich viel Arbeit, wenn man einen guten Platz bekommen will. Da wird in der Hitze stundenlang ausgeharrt, um Abends gute Sicht zu haben.

* Übrigens das meistbesuchte Feuerwerksfest Japans. Nicht das beliebteste, aber das meistbesuchte.

Am Samstag sah ich um drei beim Einkaufen schon Frauen in 浴衣 (Yukata; Baumwollkimono), die sich auf den Weg zu ihren Feuerwerken machten – es fanden so einige statt. Das größte und beliebteste war aber sicher das 東京湾花火大会 (Tôkyô-wan Hanabi-Taikai; Tokyo-Bucht Feuerwerkstreffen). Wie der Name schon sagt, findet es in der Bucht Tokyos statt und ratet mal wessen Büro einen wunderbaren Ausblick auf eben diese hat. 😉

DSC_6602のコピーUnter dem Namen Family Day veranstaltet meine Firma immer wieder Events, zu denen man seine Familie mitnehmen kann. Weil mein Mann kein Interesse hatte, habe ich meine Schwiegereltern mitgenommen, um vom 47. Stock aus das Feuerwerk zu sehen.

DSC03430sEtwa 200 Leute waren da, und die Stimmung war wunderbar – kein Wunder, wer möchte sich schon in der Firma eines Familienagenhörigen danebenbenehmen. 🙂 Es waren auch super viele Kinder da, in ihren 甚平 (Jinbei; zweiteilige traditionelle Sommerkleidung) und voller Energie. 🙂 So süß! Zum Glück bin ich gar nicht auf einem Baby-Trip.

Das Feuerwerk selbst war natürlich großartig! Weil wir in Japan sind, gab es sogar Pokémon-Feuerwerk. Erst scherzte ich noch, “Oh, ein Pokéball!”** und dann sahen wir plötzlich Pikachu im Nachthimmel.

** Pokébälle heißen auf Japanisch モンスターボール (Monsutâ Bôru; Monster Ball), weswegen keiner wusste, was ich will…

Japanische Feuerwerke sind super lang, nach 30 Minuten setzte Ermüdung ein… Trotzdem war es einfach dank der Perspektive schon spannender als normalerweise. In unserem Firmencafé gab es Eistee, Eiskaffee und Alkohol, und die Stimmung war zwar ausgelassen, aber nicht chaotisch. Wie eine große Familie halt – hach, ich mag meine neue Firma.

Leider wird dieses Feuerwerk in den nächsten sechs Jahren nicht stattfinden – die Olympischen Spiele sind Schuld. Die Gegend um die Bucht herum wird ausgebaut, und die Bauarbeiten könnten durch das Feuerwerk bedroht werden. Unglaublich schade, aber da kann man nichts machen. Immerhin habe ich es noch einmal von einem wunderbaren Ort aus sehen können. 🙂

Tanabata-Matsuri mit Awaodori und Yukata.

IMG_2180Am 7. Juli ist in Japan Tanabta (七夕), das Sternenfest. Anlässlich dessen fand in Asakusa auf der Kappabashi Hondōri (かっぱ橋本通り) das Shitamachi Tanabata-Matsuri (下町七夕まつり) statt. Wie es sich für Ende Juli mit gleich drei sich bedrohlich näherenden Taifuns gehört, natürlich im Regen.

Meine Freundin Sachie (spricht sich Sachi-e) und ich trafen uns um zehn Uhr morgens, und liefen über die fast leere Straße. Wir waren eindeutig zu früh. Dafür hatten wir aber viel Zeit uns die Tanzaku (短冊), Papierstreifen auf die man zu Tanabata Wünsche schreibt, durchzulesen und auch unsere eigenen zu verfassen. Für solche Wünsche gibt es übrigens eine recht feste Satzkonstruktion. Nehmen wir mal die beiden am einfachsten lesbaren Wünsche im Titelbild.

河童に会えますように (Kappa ni aemasu yō ni; Auf dass ich einen Kappa treffen kann*)
また海外で働けますように (Mata kaigai de hatarakemasu yō ni; Auf dass ich wieder im Ausland arbeiten kann)

Es ist jeweils der Wunsch (河童に会う Kappa ni au; Einen Kappa treffen bzw. また海外で働く Mata kaigai de hataraku; Wieder im Ausland arbeiten), mit dem Verb im Konjunktiv und dem Anhängsel ように (yō ni), das unter anderem für Wünsche benutzt wird.

* Kappa sind magische Wesen die an sich ungefährlich sind (und Gurke lieben, deswegen heißt Gurken-Sushi Kappa-Maki) solange sie sich an Land befinden. Im Wasser ertränken sie Menschen und Tiere.IMG_2188

Alles, was ein Matsuri so braucht, gab es natürlich. Goldfische-schöpfen (金魚すくい), Wasserballons an einer elastischen Schnur (ヨーヨー), geschabtes Eis mit Sirup (かき氷), usw. usf. Wir teilten uns eine Portion gebratene Nudeln (焼きそば).

Weil noch immer nicht viel los war, gingen wir Yukata (浴衣), einfache Baumwollkimonos für den Sommer, angucken. Bloß gucken, nicht kaufen! Ein Vorsatz der ganze zehn Minuten hielt. Zu Matsuri gehört Yukata dazu, und wenn man uns 20% Rabatt gibt und uns auch noch umzieht…

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Bitte entschuldigt mein… alles auf dem Bild, aber ich hatte tatsächlich nicht geplant Yukata zu tragen. Eine Obi-Platte (帯板) wäre ganz gut gewesen, so ist der Obi arg faltig, und auch meine Haare… Nun ja.

Es ist nicht ganz leicht zu erkennen, aber das Muster meines Yukatas ist an sich ein Fluss mit Leuchtkäfern (蛍 Hotaru). 🙂 An sich ein eher ungewöhnliches Motiv, aber ich war gleich davon angetan.

Um elf hörten wir dann in der Ferne Musik. Der Awa Odori (阿波踊り) hatte begonnen. 😀

Awa Odori ist eine Art des Totenfest-Tanzes Bon-Odori (盆踊り) und kommt ursprünglich aus Tokushima, einer Präfektur auf der kleinsten der vier Hauptinseln Japans, Shikoku. Bon-Odori sind Tänze für die Seelen der Verstorbenen, die über Obon, das japanische Totenfest, die Lebenden besuchen. Wer irgendeinen traurigen Tanz erwartet, wird aber enttäuscht. 😉 Bei Instagram habe ich einen 14-Sekunden-Film hochgeladen, ihr könnt aber natürlich auch einfach bei Youtube 阿波踊り oder 盆踊り eingeben. 🙂

Da wir vom Fest genug gesehen hatten, machten wir uns auf den Weg zum Sensō-Tempel (浅草寺).

Sachie war ganz überrascht, dass ich mich in der Gegend so gut auskenne – ich bringe einfach jeden Besuch nach Asakusa und wir sind dort auch gern mal. 😉

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Am Tempel zogen wir Omikuji (おみくじ), um uns die Zukunft vorhersagen zu lassen. Mal schauen, ob unsere Tanabata-Wünsche schon gewirkt haben. 😉 Ich zog tatsächlich “Großes Glück” (大吉), das beste Ergebnis. 😀 Da kann ja nichts mehr schiefgehen.

Leider fing es dann wieder an zu regnen, woraufhin wir uns in ein nahegelegenes Café zurückzogen und noch ein bisschen quatschten. Den ganzen Tag in Yukata rumzulaufen ist schließlich auch ziemlich anstrengend. 🙂

Woher kommen die Erdbeben?

IMG_2095Überall im Land findet man Schilder wie das oben. Es bezeichnet eine 緊急交通路 (Kinkyû Kôtsû-ro; Notfallstraße), die im Fall einer Naturkatastrophe gesperrt wird, damit Rettungskräfte effektiv arbeiten können.

Aber was macht der glückliche Fisch mit dem lustigen Bart dort? Das ist ein ナマズ (Namazu; Amur-Wels).

Nach einer alten Legende leben unter Japan riesige Welse. Wenn die anfangen zu wüten, wackelt die Erde. Die Fische sind tatsächlich extrem empfindlich für Spannungsänderungen, sie wissen also, wenn ein Erdbeben kurz bevorsteht und bewegen sich panisch – damals hat man das einfach falsch herum gehabt.

Obwohl inzwischen natürlich jeder weiß, wie Erdbeben wirklich entstehen, kennt fast jeder die Geschichte von den Welsen. 🙂 Ist ja auch ein putzigeres Maskottchen für Notfallstraßen als — ich weiß nicht.

Wie würdet ihr Erdbeben grafisch darstellen?

Von Göttern und Wäldern.

 

Letztens fuhren wir im Auto mit den Schwiegereltern zurück nach Hause, an einem alten shintoistischen Schrein vorbei. Dieser Schrein ist gegenüber unseres Bürgeramtes, ich habe ihn also schon oft gesehen.

Shirazumori-Schrein (不知森神社), wörtlich in etwa Schrein des unbekannten Waldes, heißt er, und ist tatsächlich von einem Bambuswald umgeben, weswegen er immer im Schatten liegt. Der Wald, Yawata no Yabushirazu (八幡の薮知らず), darf nicht betreten werden – weil gesagt wird, dass man, wenn man hineingeht, den Weg nicht mehr zurückfindet.

Es gibt verschiedene Geschichten über ihn und darüber, warum er gefährlich ist. Eine besagt, dass sich das Tor des Todes, eines von acht Toren in einer alten Form der Wahrsagerei aus China, im Wald befindet. Eine andere, aus der Edo-Zeit (1603-1868), dass im Wald der Geist einer Weberin spukt. Des Nachts leiht sie sich die Webstühle und Garne aus den umliegenden Webereien und gibt sie am Morgen zurück – von Blut befleckt. Außerdem gibt es im Wald angeblich nicht nur einen Sumpf ohne Boden, sondern es steigen auch giftige Gase aus dem tiefsten Punkt des Waldes hinauf. So sagen zumindest die Legenden.

Was man nie vergessen darf: In Japan leben in allem Götter (神 kami). In jedem Wald und auf jedem Stück Land. Wer diese Götter erzürnt wird Opfer von Kamikakushi (神隠し) – man verschwindet oder verstirbt auf mysteriöse Art und Weise.* Deswegen werden z.B. vorm Hausbau shintoistische Zeremonien durchgeführt, damit kein Unglück geschieht. Übrigens nicht nur auf dem Lande, sondern überall. Japan hat keine Staatsreligion, aber die Menschen haben Respekt vor ihren vielen Göttern. Ich passe mich an.

Vielleicht ist der Kami dieses Waldes einfach kein besonders freundlicher Geselle.

* “Chihiros Reise ins Zauberland” heißt auf Japanisch “千と千尋の神隠し” (Sen to Chihiro no Kamikakushi; Sen und Chihiros Kamikakushi). Von wegen Reise.

Man hat versucht den Wald einzudämmen oder gleich ganz dem Erdboden gleich zu machen. Will jemand raten, was passiert ist? Ungeklärte Unfälle mit Todesfolge. Seitdem lässt man den Wald einfach in Ruhe. Den Tempel kann man zwar betreten, aber ich habe noch nie jemanden dort gesehen.

Und eigentlich glaube ich solchen Quatsch ja nicht, bin total rational und belächle jeglichen Aberglauben – aber in den Wald bekommen mich trotzdem keine zehn Pferde.