Was ist ein Daruma?

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Weihnachten und Neujahr sind nah, und wenn man 8900 km von seiner Familie entfernt wohnt, muss man früher einkaufen gehen. Ich schlenderte also durch Solamachi, und mir begegneten auffällig viele だるま (Daruma).

Daruma sind meist kleinere Figürchen, die aussehen wie der oben, nur in rot. 🙂 Von ganz gewöhnlichen Daruma mache ich normalerweise keine Fotos, deswegen muss der spezielle in 空色 (sorairo; himmelsfarben) herhalten. 😉 Wenn man sie kauft, haben sie noch komplett weiße Augen. Warum kommen die Daruma quasi unfertig ins Haus?

Ganz einfach: Man macht sich einen guten Vorsatz, z.B. zu Neujahr und malt das linke Auge auf. So lange der gute Vorsatz nicht erfüllt ist, wird das rechte Auge nicht ausgemalt. Ein Daruma ist also Motivation, Dinge durchzuziehen. 🙂

Der Daruma ist eine Darstellung des 菩提達磨 (Bodaidaruma; Bodhidharma), Begründer des Zen-Buddhismus. Laut einer Legende hat er neun Jahre lang im Lotussitz meditiert, weswegen seine Arme und Beine abfielen. Außerdem war er, nachdem er ungewohlt einschlief, so sauer auf sich, dass er sich die Augenlider abschnitt. Also haben auch die modernen Daruma-Figuren weder Arme, noch Beine noch Augenlider.

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Es gibt viele Spezial-Darumas, wie z.B. diese Weihnachts-Daruma. Wie ihr seht haben die aber schon ihre Augen und sind daher für den ursprünglichen Zweck unbrauchbar – aber rund und niedlich. 🙂 Im Disney Land bekommt man auch Mickey Maus-Daruma!

Schneemann heißt auf Japanisch übrigens 雪だるま (Yuki-Daruma; Schnee-Daruma), und besteht aus nur zwei Bällen. Vielleicht, weil es in Japan weniger Schneit? Keine Ahnung. Außerdem gibt es ein Kinderspiel namens だるまさんが転んだ (Daruma-san ga koronda; Herr Daruma ist umgefallen), das genau so funktioniert wie “Green Light, Red Light” (“Ochs am Berg”). Nur, dass ich “Ochs am Berg” nie gespielt habe. 😉

Zurück zu den Weihnachtsgeschenken, meine Mama bekommt von mir jedes Jahr einen Daruma. 😀 So läuft das nämlich, wenn man einmal sagt, dass man etwas mag: Man bekommt es immer wieder. 😉 Aber keine Sorge, das ist nicht alles, die Überraschung ist also noch nicht versaut. Und Ziele kann man ja nie genug haben. 🙂

Tempel und Schreine.

Immer wieder erzähle ich von Schreinen und Tempeln, und auf fast jeder unserer Reisen besuchen wir zumindest einen. Aber was ist der Unterschied, und worauf muss man achtgeben?

Tempel: 寺院・お寺・仏閣(Ji’in, Otera, Bukkaku)

IMGP8917Wenn ich von Tempeln rede, sind immer buddhistische Tempel gemeint. Die Namen von Tempeln enden meist auf 院 (-in) oder 寺 (-ji) und zu den bekanntesten für Touristen gehören wahrscheinlich der 浅草寺 (Sensôji) in Asakusa und der 金閣寺 (Kinkakuji) in Kyoto. Auf Stadtkarten werden sie mit einer Swastika markiert, was Deutschen immer mal wieder die Spucke wegbleiben lässt – aber die Swastika ist viel viel älter als das dritte Reich. Auf Japanisch heißt sie übrigens 万字 (Manji).

In Tempeln findet man Buddha-Statuen (仏像 Butsuzô oder 大仏 Daibutsu) und oft auch Räucherstäbchen.

Wie wird gebetet? (vereinfacht)

Wenn man möchte, kann man ein Räucherstäbchen anzünden. Dabei aber darauf achten, nicht ein anderes Räucherstäbchen zum Anzünden zu verwenden – sonst bekommt man das Karma der Person, die das andere Räucherstäbchen angezündet hat.

Der Ort an dem man betet ist meist recht offensichtlich, irgendwo befindet sich etwas, was wie eine große Box mit einem Gitter auf der Oberseite aussieht. Davor wird gebetet. Vor dem Beten wirft man immer Geld in die Box, entweder 105 oder 150Yen.

① Leicht verbeugen. Wenn eine Glocke da ist, sie läuten.
② Hände vor der Brust falten, Augen schließen und beten.
③ Augen öffnen, Arme herunternehmen und erneut verbeugen.

An vielen Tempeln gibt es おみくじ (Omikuji; Zukunftsorakel). Beispielsweise in Asakusa kann man sich auch auf Englisch die Zukunft vorhersagen lassen. 🙂

Schreine: 神社・神宮・明神 (Jinja, Jingû, Myôjin)

Ein 鳥居 (Torii) auf 桜島 (Sakurajima). Im Hintergrund ein aktiver Vulkan.

Ein 鳥居 (Torii) auf 桜島 (Sakurajima). Im Hintergrund ein aktiver Vulkan.

Schreine sind immer shintoistisch. Architektonisch sind sie am leichtesten am 鳥居 (Torii) zu erkennen, einem großen, meist roten, Eingangstor. Namensendungen sind -神社 (jinja), 明神 (myôjin) oder -神宮 (jingû). Die meisten von euch kennen wahrscheinlich das Bild des 厳島神社 (Itsukushima-jinja; Itsukushima-Schrein), mit dem Torii im Meer, oder waren bei ihrem Besuch in 原宿 (Harajuku) beim 明治神宮 (Meiji-jingû; Meiji-Schrein).

In Schreinen werden Götter verehrt, alle mit ihrer eigenen Spezialität.* Generell werden in Schreinen lebensbejahende Feste abgehalten: Hochzeiten, Vorstellung eines Neugeborenen, Zeremonien zu bestimmten Geburtstagen… An Tempeln bleiben vor allem Beerdigungen hängen.

* Mit Abstand die meisten sind für Fruchtbarkeit, was auch bei anderen polytheistischen Religionen festzustellen ist.

Wie wird gebetet? (vereinfacht)

Wie auch in Tempeln wird in Schreinen zuerst eine Opfergabe in Form von 105 oder 150Yen gegeben. Danach ist es aber etwas anders.

① Zweimal leicht verbeugen.
② Zweimal in die Hände klatschen, beim zweiten Mal die Hände zusammenlassen und beten. Augen zu.
③ Augen öffnen, Arme herunternehmen und einmal verbeugen.

Wer besonderen Respekt zollen will, kann sich beim Betreten und Verlassen des Schreins vor dem Torii verbeugen.

Sonst noch wichtig: An den Eingängen sowohl Tempeln als auch Schreinen gibt es eine Schwelle, sie ist die Abgrenzung der säkularen Welt vom Überirdischen – am besten nicht drauftreten!

Japaner interessiert es übrigens wenig, ob man dem shintoistischen oder buddhistichen Glauben angehört. Beten kann, wer will. Tatsächlich würden sich die meisten Japaner als keiner Religion angehörend (無宗教 mushûkyô) bezeichnen, so auch meine japanische Familie. Wir gehen trotzdem jedes Jahr zum 初詣 (Hatsumôde; ersten Beten im neuen Jahr) und beten um Erfolg bei Tests. Jemand, der sich in Deutschland nicht dem christlichen Glauben zugehörig fühlt, würde wahrscheinlich eher nicht in die Kirche zum Gebet gehen. 😉

Also keine Angst haben, in japanischen Tempeln und Schreinen auch zu beten oder 絵馬 (Ema) aufzuhängen! 🙂 Und macht euch bloß keinen Druck besonders viele, oder welche zu sehen, die in Reiseführern nicht aufgeführt sind. Bis auf die wirklich großen Tempel und Schreine, sehen sie irgendwann alle gleich aus… Zum 出雲大社 (Izumo-Taisha; Izumo-Großer-Schrein) und zum 厳島神社 (Itsukushima-jinja; Itsukushima-Schrein) möchte ich aber trotzdem. 🙂

(Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständig- und Richtigkeit.)

Silberne Woche!

Feiertage sind z.B. wunderbar um Totoro zu besuchen. :)

Feiertage sind z.B. wunderbar um Totoro zu besuchen. 🙂

Seit heute ist Silver Week (シルバーウィーク Shirubâ Uîku), eine Aneinanderreihung von Feiertagen. Japaner haben mehr Feiertage als Deutsche, und oft sind sie auch nicht so wichtig. Ab nächstem Jahr haben wir einen Berg-Feiertag. 😉

Aber zurück zur Silver Week, was wird denn gefeiert?

敬老の日 (Keirô no Hi; Tag des Respekts vor dem Alter)

An Keirô no Hi gilt die Aufmerksamkeit den Großeltern. 🙂 In Kindergärten werden oft Geschenke gebastelt, und auch sonst werden Großeltern zumindest angerufen. Klar, wenn es einen Mutter- und Vatertag gibt, warum dann nicht auch einen Großelterntag?
Keirô no Hi findet am dritten Montag im September statt.

秋分の日 (Shûbun no Hi; Tagundnachtgleiche-Tag*)

Ursprünglich wurde am Tagundnachtgleiche-Tag das shintoistische 秋季皇霊祭 (Shûki Kôreisai; Fest für die Seelen der früheren Kaiserfamilien im Herbst) gefeiert, aber da Staat und Religion nach Ende des Krieges laut der neuen Verfassung getrennt wurden, wurde der Tag umbenannt. Tatsächlich war selbst das ursprüngliche Fest eher ein Erntedankfest, schließlich ist die kaiserliche Familie direkt mit der Sonnengötten 天照 (Amaterasu) verwandt und damit auch göttlich. Da kann man sich schon einmal was wünschen. Heutzutage machen wir in der Stadt zumindest an dem Tag nichts Besonderes.
Shûbun no Hi findet jedes Jahr am 22. oder 23. September statt.

* Im Frühjahr ist 春分の日 (Shunbun no Hi), der Tagundnachtgleiche-Tag im Frühling.

Das sind eigentlich schon die Feiertage – Ups, sind ja nur zwei? Keine Sorge, Japan hat vorgesorgt!

国民の祝日 (Kokumin no Shukujitsu; Volksfeiertag)

Jeder Tag, der zwischen zwei staatliche Feiertage fällt, ist automatisch Volksfeiertag. 😀 Ein komplett abgesegneter und verbindlicher Brückentag also, da kann einem auch die Firma nicht reinreden.

Japanische Feiertage klingen nämlich total toll, vor allem, weil es so viele davon gibt**, letztendlich sind sie aber für Arbeitnehmer eine der wenigen einigermaßen sicheren Urlaubszeiten. Leider machen es viele japanische Firmen ihren Mitarbeitern unglaublich schwer, sich einfach mal eine Woche freizunehmen – was darin resultiert, dass nur 50% des gesamten in Japan gesetzlich zugesicherten bezahlten Urlaubs auch genommen wird. Nur in Korea ist die Rate noch geringer. 26% der japanischen Arbeitnehmer fühlen sich schuldig, wenn sie Urlaub nehmen, vor allem über längere Zeiträume.*** (Quelle)

Wenn aber alle zur selben Zeit frei haben, gibt es oft keinen guten Grund, warum man trotzdem zur Arbeit gehen sollte. Das gilt freilich nicht für Leute in der Service-Industrie oder im Einzelhandel… Aber zumindest für Büroarbeiter sind Feiertage wichtig, um mal auszuspannen, ohne dass danach Berge an Arbeit auf einen zukommen oder man sich schlecht fühlen muss.

** In jedem Monat außer Juni gibt es mindestens einen.

*** Einer meiner Abteilungsleiter hat sich zwei Wochen freigenommen, als sein Sohn geboren wurde. Kommentar der alten Assistentin: Wer sich zwei Wochen am Stück freinähme, verdiene es nicht in der Firma zu arbeiten… Kommentar der neuen Assistentin (mir): Nur zwei Wochen?!

Examen bestehen mit Hilfe der Götter.

Das ist die perfekte Gelegenheit für euch um über meine krepelige Handschrift zu lachen!

Das ist die perfekte Gelegenheit für euch um über meine krepelige Handschrift zu lachen!

Am Sonntag hatte mein Mann das 公務員試験 (Kômuin-shiken; Examen für den Eintritt in den Staatsdienst). Der Test ist der erste Schritt in der Bewerbung um eine Beamtenstelle, und ein wichtiger.

Um dem Erfolg ein wenig auf die Sprünge zu helfen, fuhren wir zum 神田明神 (Kanda-Myôjin; Kanda-Schrein). Japaner sind zwar laut Eigenangabe großteils Atheisten, so auch meine japanische Familie, aber vor allem der Shintoismus gehört eben auch zur Kultur. Überall überschneiden Kultur und Religion sich irgendwo, in Japan ganz besonders. Immerhin verlangen die Schreine keine Mitgliedsgebühr. 😉IMG_3398_editedMan geht also zum Schrein um z.B. für Erfolg, Liebe, Gesundheit oder eine problemfreie Schwangerschaft zu beten. Je nachdem welchen 神 (Kami) ein Schrein beherbergt, ist er mehr oder weniger gut für bestimmte Wünsche geeignet. Bei 八百万の神 (Yaoyarozu no Kami; 8.000.000 Kami*) findet sich sicher auch einer für genau das Problem, das man hat.

* 八百万 (Yaoyarozu bzw. Happyakuman) ist zwar wortwörtlich 8 Millionen, bedeutet aber “Myriaden” oder auch “verdammt viel”. 😉

Im Kanda-Myôjin sind drei Kami heimisch – 大己貴命 (Ônamuchi no Mikoto), 少彦名命 (Sukunabikona no Mikoto) und 平将門命 (Taira no Masakado no Mikoto). Keiner davon ist ausdrücklich für Wissen verantwortlich, aber mein Mann glaubt, dass es trotzdem funktioniert. 🙂

Ema sind nicht immer so künstlerisch wertvoll, aber 秋葉原 (Akihabara), das Mekka für Anime- und Mangafans, ist gleich in der Nähe.

Ema sind nicht immer so künstlerisch wertvoll, aber 秋葉原 (Akihabara), das Mekka für Anime- und Mangafans, ist gleich in der Nähe.

Wir haben also beide für das Bestehen des Examens gebetet und 絵馬 (Ema) geschrieben und aufgehängt. Ema sind Holztafeln, auf die man seinen Wunsch schreibt. Danach hängt man sie am Schrein auf. 🙂 Ich finde sie super spannend, weil man ein Bild davon bekommt, was andere sich so wünschen. Während Touristen oft irgendetwas von Weltfrieden schreiben, wünschen sich Japaner kleinere Dinge: “Dieses Jahr will ich meine Lieblingsband live sehen!”, “Ich möchte an dieser Uni aufgenommen werden!”, “Auf dass dieses Jahr besser wird als letztes”, etc. etc.

Mein Mann schrieb:

今年、公務員試験・建築士に合格できますように!! (Kotoshi, Kômuin-shiken ・ Kenchiku-shi ni Gôkaku dekimasu yô ni!!; Auf dass ich dieses Jahr den Kômuin-shiken und Kenchiku-shi bestehe!!)

Ich schrieb:

礼人が合格しますように (満点でもOK!) (Ayato ga Gôkaku shimasu yô ni (Manten demo OK!); Auf dass Ayato [seine Examen] besteht (Auch gerne mit voller Punktzahl!))

Soweit sieht es aus, als wäre es gut gelaufen, wenn nicht schieben wir es darauf, dass er kein KitKat gegessen hat. 😉