Der Narita-Tempel.

Am selben Tag, an dem ich mit Tessa von Wanderweib die Burg von Chiba besuchte, fuhren wir auch nach Narita (成田). Narita ist den meisten Japanreisenden sicher ein Begriff, denn der große internationale Flughafen im Großraum Tokyo befindet sich dort.

Obwohl ich inzwischen sicher über zehn Mal über den Flughafen Narita geflogen bin, hatte ich es noch nicht geschafft, mir die Stadt Narita anzusehen. Eine große Attraktion gibt es dort, und zwar den Narita-san Shinshō-Tempel (成田山新勝寺).

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Im Volksmund wird er einfach nur Narita-san genannt, und ist landesweit die zweitbeliebteste Pilgerstätte für Hatsumōde (初詣), den ersten Schrein- oder Tempelbesuch im Jahr. Der beliebteste ist der Meiji-Jingū (明治神宮) in Harajuku.

Vom Bahnhof Narita aus führt eine von Läden gesäumte Straße bis zum Tempel. Die Geschäfte dort sind zwar nur bis 17 Uhr geöffnet, aber der Besuch lohnt sich. Neben Souvenirs gibt es auch viel Essbares. Besonders beliebt ist dabei Aal. Der gilt in Japan zwar als absolute Delikatesse, aber weder Tessa noch ich stehen besonders drauf, weswegen wir darauf verzichteten.

Nach etwa 15 Minuten zu Fuß erwartete uns eine überraschend große Anlage. Auf der Karte des Tempels kann man die Größe ganz gut erahnen. Wenn man sich dort alles ansehen will, muss man relativ viel laufen. Und Treppen erklimmen. Oben, vor der großen Haupthalle (大本堂) angekommen sahen wir erstaunlich wenige Besucher. Wahrscheinlich verirren sich nicht allzu viele Leute an einem leicht verregneten Dienstagnachmittag nach Narita, egal wie voll es zu Neujahr ist.

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Aber warum ist dieser Tempel überhaupt so beliebt? Weil angeblich mit Hilfe des Gottes, der dort lebt, vor über 1000 Jahren ein Aufstand niedergeschlagen wurde. Im 17. Jahrhundert wurde dann die Hauptstadt Japans nach Edo (江戸), heute Tokyo verlegt, und so ein Schutztempel in der Nähe ist da schon nicht unpraktisch. 😉 Später stellte dann ein berühmter Kabuki-Schauspieler den Gott des Schreins, Fudō- Myō’ō (不動明王) dar, was noch mehr Leute zu ihm kommen ließ.

Heute ist der Tempel recht modern und für Leute, die keine Treppen hochsteigen können, gibt es Aufzüge. Auch sonst ist der Tempel tasächlich zu großen Teilen barrierefrei, was ich sonst eher nicht erlebe. Zwischen den einzelnen Gebäuden ist auch genug Platz, so dass man wahrscheinlich auch wenn der Tempel voller ist nicht ständig mit jemandem zusammenstößt.

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Wenn man noch ein weniger weiter den Berg hochkraxelt findet man übrigens auch einen Schrein, und zwar den Shusse-Kaiun-Inari-Schrein (出世開運稲荷神社). Ganz typisch für solche Schreine hat der rote Schreintore oder Torii (鳥居) und Fuchsstatuen – etwas untypisch ist das Wellplastikdach. Muss man sich nicht wirklich ansehen. Da gibt es in Tokyo schönere Inari-Schreine, z.B. den Nezu-Schrein (根津神社) in Tokyo.

Narita-Tempel kann man machen, vor allem, wenn man sowieso in der Nähe ist. Das Gelände ist groß genug, als dass man sich nicht ständig eingeengt fühlt. Ich muss aber auch zugeben, dass er mich abgesehen von der schieren Größe nicht besonders beeindruckt hat.

Das Wort zum Mittwoch: 5連休.

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Japaner haben recht viele Feiertage. Dieses Jahr werden wir zum ersten Mal den 山の日 (Yama no Hi; Bergtag) feiern, und zwar morgen. 🙂 Den Freitag habe ich mir freigenommen. Am Montag ist dann das Büro geschlossen, weil viele Leute im August お盆 (Obon), das Totenfest, begehen. Aus gegebenem Anlass lautet das Wort zum Mittwoch deswegen:

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5連休 (Go-Renkyû) besteht aus der Zahl fünf (go), dem Kanji 連 (ren, auch 連なる tsuranaru; in einer Reihe stehen, sich erstrecken) und dem Kanji 休 (kyû, auch 休み yasumi; Urlaub, Erholung). Es geht hier also um Urlaub, der sich über fünf zusammenhängende Tage erstreckt. 🙂

Dabei wird meist von Renkyû gesprochen, wenn irgendwo Tage drin sind, die man eh freigehabt hätte. Am gebräuchlisten ist sicher das lange Wochenende, wenn ein Feiertag auf Montag oder Freitag fällt. Das ist dann ein 3連休 (San-Renkyû).

Übrigens bot mein Chef mir an, dass ich doch gleich noch am Dienstag auch freinehmen könne, schließlich sei kaum jemand im Büro. Also: 6連休 (Roku-Renkyû)! 😀

Viva Shitamachi.

Endlich ist diese Aneinanderreihung von spaßigen Dingen vorbei. Es hat zwar wirklich viel Spaß gemacht andere Blogger zu treffen, neue Sachen zu sehen, an Events teilzunehmen, nach Sendai zu fahren und ein Wochenende lang Tennis zu spielen – aber anstrengend war es schon. 😉

Letztes Wochenende hatte ich endlich mal wieder ein echtes Wochenende. Weil wir aber nicht untätig zuhause rumhängen wollten, fuhren mein Mann und ich in den nahen Bezirk Katsushika (葛飾), in die Shitamachi (下町).

Tokyo ist in zwei Gruppen aufgeteilt: Yamanote (山手), die Bergseite, und Shitamachi, die Unterstadt. Die Begriffe sind schnell erklärt, damals wurden den einflussreichen Familien die höherliegende Gebiete zugesprochen, weil es dort im Sommer kühler war – Händler und Arbeiter lebten hingegen in den flachen Gebieten auf geringerer Höhe. In Deutschland würde man statt Shitamachi Kiez sagen. 😉 Es sind die (ehemaligen) Arbeiter- und Händlersiedlungen, in denen man sich noch Hallo sagt und die Nachbarn kennt.

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Derzeit blühen im Mizumoto-Park (水元公園) die Schwertlilien (花菖蒲 Hanashōbu). Ich mag Blumen ganz gerne, und brauchte sowieso eine Ausrede um die Yukata-Saison einzuläuten, also bequemten wir uns nach Katsushika.

Der Park dort ist wirklich sehr groß, und kann mit einem Fluss, einem Grillplatz, einem kleinen Vogelschutzgebiet und mehr aufwarten. Der Eintritt ist kostenlos*. 🙂 Wahrscheinlich auch deswegen waren trotz der recht frühen Uhrzeit viele Leute unterwegs. Ich bin ja ein großer Freund des Menschenbeobachtens, und nirgendwo findet man solche Charaktere wie in der Shitamachi. 😉

* Faustregel dazu: Teien (庭園), Gärten, kosten für gewöhnlich, Kōen (公園), öffentliche Parks, nicht.

Wir hatten nach unserem kurzen Spaziergang noch keine Lust wieder nach Hause zu fahren, also ging es einige wenige Kilometer weiter nach Shibamata (柴又). Dort steht der Shibamata-Tempel (柴又帝釈天**), eine der 100 Heisei-Landschaften (平成百景). Im Gebiet um den Tempel findet man kleine Geschäfte und leckeres Essen. 🙂 Auch hier sind hauptsächlich Leute aus der Umgebung unterwegs, und es ist bei weitem nicht so überfüllt wie beispielsweise der Sensō-Tempel (浅草寺) in Asakusa.

** 帝釈天 (Taishakuten) ist eigentlich eine buddhistisch-hinduistische Gottheit, wird hier aber anders verwendet.

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Auch Asakusa gehört zwar zur Shitamachi, aber eben zur touristisch gut erschlossenen. 😉 Dann vielleicht lieber nach Yanesen (谷根千), und nebenbei beim Kayaba Kissa (カヤバ喫茶) vorbei. Dort kann man noch recht entspannt viel sehen, und lernt auch mal Tokyo abseits des Trubels kennen. Es ist zum Glück nicht überall busy busy busy. 🙂

Ich weiß nicht, wie sehr man es als Tourist mitbekommt, aber Tokyoter sind generell ziemlich unterkühlt. Die meisten leben in ihrer kleinen Blase, und machen absolut keine Anstalten mit den Fremden um sie herum zu interagieren. Das ist natürlich unglaublich schade – Shitamachi bietet einen schönen Kontrast dazu und zeigt, dass Tokyo nicht einfach “schon immer so war”. 😉 Auch Tokyoter können herzlich sein. Wirklich!

Welchen eher unbekannten Ort schätzt ihr an eurer Stadt ganz besonders? 🙂

Mie, Teil 1: Welterbe in Kumano

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Vorletztes Wochenende entschieden wir uns spontan Ende Februar nach 三重県 (Mie-ken; Präfektur Mie) zu fahren. Schließlich hat mein Mann derzeit frei, da kann man schon mal mehrmals in den Urlaub fahren. 😉 Mie erscheint nicht als die attraktivste Präfektur, zumal sie in direkter Nähe von 奈良 (Nara), 大阪 (Ôsaka) und 京都 (Kyôto) liegt. Trotzdem ist sie auf jeden Fall einen Besuch wert. 🙂

Nachdem wir in 伊勢 (Ise) ankamen, schnappten wir uns ein Auto und fuhren noch weiter nach unten, nach 熊野 (Kumano). Dort häuft sich Weltkulturerbe förmlich, denn die Berge werden seit über 1000 Jahren als heilig verehrt. Zur Erinnerung, im japanischen Naturglauben 神道 (Shintô) leben überall in der Natur Götter – ob in Bäumen oder Bergen.

Nur in den Klippen 鬼ヶ城 (Onigajô) lebt offensichtlich ein Dämon (鬼 Oni) – anders lassen sich die wilden Formen, im Titelbild zu bestaunen, kaum erklären. Die ofizielle Erklärung ist natürlich, dass hohe Wellen und Erdbeben die einzigartige Landschaft erschaffen haben. Ich bin noch nicht so ganz überzeugt. 😉 Leider ist derzeit wegen Taifunschäden nur ein Teil der Klippen erkundbar.

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Ganz in der Nähe befindet sich die 熊野古道 (Kumano Kodô; alte Straße Kumanos), eine Pilgerroute die zwischen verschiedenen Schreinen besteht und in der Mitte zum 熊野本宮大社 (Kumano Hongû Taisha; Hauptschrein Großschrein Kumano) führt. Wir sind natürlich nicht bis zum Schrein gelaufen, uns haben schon die 700 Meter bis zu einem Aussichtspunkt gereicht. 😉 Wenn man bedenkt, dass die Leute damals wochen- oder monatelang unterwegs waren um zu einem Schrein zu pilgern, und mit einfachen Schuhen und schwerem Gepäck die Berge hochgelaufen sind – was sind wir heutzutage doch für Weicheier…

Die alte Straße wirkt wie aus einem Ghibli-Film entsprungen, mit von Moos und Wurzeln überwachsenen Steinen, die zwar nicht furchtbar gleichmäßig angelegt sind, aber gerade deswegen einen ganz besonderen Charme versprühen. 🙂

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Auch die Berge am 花の窟神社 (Hana no Iwaya Jinja; Blumenhöhlenschrein) lassen einen an die Götter in der Natur glauben. Dort ist der Legende nach 伊弉冊尊 (Izanami-no-Mikoto), Göttin über Erschaffen und Tod, die bei der Geburt des Feuergottes 軻遇突智尊 (Kagutsuchi-no-Mikoto), verbrannte, begraben. So ist das, wenn man Feuergötter gebährt.

Immerhin hat es Izanami-no-Mikoto mit ihren anderen Kindern besser getroffen. 天照 (Amaterasu), 月読 (Tsukuyomi) und 須佐之男 (Susanoo) bieten ihr aus Seilen geflochtene Flaggen, im oberen Bild andeutungsweise zu sehen, dar.

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Der Schrein gilt als ältester Schrein des Landes, und findet auch im 日本書記 (Nihonshoki), dem zweitältesten erhaltenen Geschichtswerk Japans, Erwähnung. Ich muss zugeben, dass der Schrein mich nicht unbedingt vom Hocker gehauen hat. Es ist zwar ganz interessant zu sehen, dass Schreine nicht immer pompös waren, aber so richtig spirituell fühlte sich der Ort irgendwie nicht an.

Außerdem gesehen haben wir den 七里御浜 (Shichirimihama), den längsten Kieselstrand des Landes, und den 獅子巖 (Shishi-iwa; Löwenstein), ein Stein der – Überraschung – wie ein Löwe aussieht. Natürlich beides Weltkulturerbe. 😉 Kumano ist schon irgendwie ganz besonders, auch wenn es aus heutiger Sicht etwas unverständlich ist, warum in so einem kleinen Ort so viel geballte Kultur schlummert.

Im nächsten Eintrag geht es um 伊勢 (Ise), Heimatstadt eines der wichtigsten Schreine Japans. 🙂