In den letzten Tagen gibt es viele Artikel, Fotos und Videos über die Rehe Naras, die sich auf den Straßen breitmachen un den Verkehr teils blockieren.
奈良 (Nara) ist eine meiner liebsten Städte in Japan, was nicht viel heißt, weil ich noch immer nur in 18 von 47 Präfekturen war. Zum Glück habe ich ja noch einiges an Zeit um das nachzuholen. 🙂
Nachdem wir standesamtlich heirateten mussten wir nach Ōsaka, weil sich die Deutsche Botschaft nach dem Beben vom 11. März 2011 dorthin verzogen hatte, wir aber Papiere brauchten um die Ehe in Deutschland anmelden zu können. Mein Mann mag Ōsaka nicht* und so machten wir uns, nachdem wir die Dokumente bekommen hatten, ins eine Stunde entfernte Nara.
* Wenn man ihm glauben schenken darf, ist das eine alte Tokyo-Osaka-Rivalität.
Während Nara natürlich Kulturschätze wie den Tōdai-Tempel (東大寺) mit der großen Buddhastatue und den 興福寺 (Kôfukuji; Kôfuku-Tempel) beherbergt, kommt einem beim Wort “Nara” eigentlich nur eins in den Sinn: Rehe!
Als Nara damals Hauptstadt wurde (710-794), kam der Schutzgott der Familie Fujiwara (藤原) auf dem Rücken eines Hirschs vom Kajima-Schrein (鹿島神社, 鹿島 ist Reh-Insel) in die Stadt. Rehe sind Helfer der Götter, und damit eigentlich heilig.
In der Edo-Zeit (1603-1868) wurde das Töten der Rehe dann auch mit dem Tode bestraft, weswegen noch immer herumerzählt wird, dass man mit drakonischen Strafen rechnen müsse, sollte man einem der Tiere ein Haar krümmen. In Wirklichkeit sterben wohl jedes Jahr etwa 50 Rehe im Straßenverkehr, was aber genau so behandelt wird, wie bei jedem anderen wilden Tier.
Das sind sie nämlich letztendlich: Wild. Die Rehe gehören niemandem, sondern laufen komplett frei durch die Stadt. Es gibt natürlich eine Stiftung, die Stiftung zum Schutz der Rehe in Nara (奈良の鹿愛護会), die neben anderen Dingen verletzte Tiere versorgt und den Tieren einmal im Jahr die Geweihe abnimmt, aber sonst dürfen sie herumlaufen wie sie möchten.
Rehe können nämlich durchaus aggressiv sein, ob nun während der Brunftzeit oder wenn sie ihr Junges beschützen wollen.
Gib mir Futter!
Besucher kaufen oft Shika-Senbei (鹿せんべい), Reiscracker, um die Rehe zu füttern. Die Rehe assoziieren Menschen also mit Futter, und sobald sie wissen, dass man wirklich welches hat, können sie ziemlich gemein werden. Treten, beißen und schubsen können Rehe ungemein gut. Angeblich kann man sie aber davon überzeugen, dass mein kein Futter hat, wenn man zweimal klatscht und dann seine Hände hochhält. Wie gut das wirklich klappt weiß ich nicht.
Nara ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Wenn man eh schon in Kyoto oder Osaka ist, lohnt sich die Fahrt. Nur immer dran denken: Rehe sind keine Haustiere. 🙂
Und vielleicht nicht das Auto nehmen, derzeit scheint es Reh-bedingte Staus zu geben. 😉