Oze Nationalpark.

Nach dem Fukiware Wasserfall (吹割の滝) zog es uns weder nach Nikkō (日光) noch nach Kusatsu (草津), die naheliegenden Touristengegenden. Nein, wir besuchten stattdessen den Oze-Nationalpark (尾瀬国立公園). Natur! Freiheit!

Man kann leider nicht direkt bis zum Eingang des Nationalparks fahren, stattdessen wurde das Auto auf einem Parkplatz in Oze abgestellt und wir fuhren mit Bus oder Gruppentaxi für ca. 900¥ (ca. 7,60€) pro Person und Strecke zum Hatomachi-Kamm (鳩待峠).

Es gibt auch andere Eingänge (japanische Seite) zum Nationalpark, der hier war lediglich der für uns günstigste. Ich möchte auch im Voraus betonen, dass wir nicht einmal annährend etwas vom Park gesehen haben – der ist nämlich der größte auf der japanischen Hauptinsel (本州 Honshū). (Der größte in ganz Japan ist der Daizetsusan-Nationalpark (大雪山国立公園) auf Hokkaidô.)

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Mit Salat zum Selberzupfen. 😉

Wir wollten eigentlich nur die Oze-Ebene (尾瀬ヶ原) sehen, für mehr hatten wir keine Zeit. Unser Auto ist schließlich nur geliehen. Bevor wir uns von den Dimensionen der Ebene verzaubern lassen konnten, mussten wir aber erst mal vom Kamm runter. 3,3km, auf gut instandgehaltenen Holzplanken* durch den Wald. Wie immer waren wir die mit der am geringsten zum Wandern geeigneten Ausstattung, aber für diesen Bereich brauchte man auch nicht viel.

* Übrigens von TEPCO (Tokyo Electric Power Company). Ja, denen.

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Unten angekommen aßen wir unsere Lunchboxen. Es gibt in der Ebene ein kleines Restaurant, eine Toilette und Plätze zum Verschnaufen. Ganz praktisch. 🙂 Bis zur Oze-Ebene waren es dann auch nur ein paar Schritte. Eine riesige grüne Fläche mit Gräsern und Bäumen (Birken!), Berge am Horizont, was könnte es schöneres geben?

Leider hatten wir keine Zeit um die anderen Gebiete zu erkunden, dafür müssten wir wahrscheinlich noch einmal mit Campingausrüstung antanzen. Dagegen hätte ich allerdings auch gar nichts. So viel Platz und Grün und gute Luft findet man in Tokyo nämlich nicht.

Vielleicht kaufen wir demnächst dann doch mal Wanderschuhe? 😉

Fukiware no Taki.

Da wir am vorherigen Wochenende eindeutig zu wenig Action hatten, fuhren wir kurzentschlossen am Samstag in die Präfektur Gunma. Gunma gehört zwar zum Haupstadtradius oder Shutoken (首都圏), wird aber immer etwas stiefmütterlich behandelt – auch von mir. Dann frage ich mich:

“Was gibt es in Guma schon?”

Wir stellen fest: So einiges.

Nach einer recht langen Autofahrt kamen wir am ersten unserer Ausflugspunkte an: Dem Fukiware-Wasserfall (吹割の滝). Den haben wir einer Naturkatastrophe vor neun Millionen Jahren zu verdanken. Damals brach ein Vulkan aus, dessen Nachspiel die gesamte Landschaft veränderte und die V-Form, durch die heute das Wasser stürzt, schuf.

Was mich etwas verwunderte, war, wie flach das Wasser im Fluss fließt, an vielen Stellen keine zehn Zentimeter hoch. Der Effekt ist dennoch beachtlich. 🙂 Die Besucherwege sind nicht mit Zäunen vom Wasserfall getrennt, sondern nur mit weißen Linien, die man nicht übertreten darf – was einem per Durchsage auf Japanisch, Englisch und Chinesisch gesagt wird. Es sind leider schon so einige Leute zu nah rangegangen und in die Tiefe gestürzt.

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Wenn man Lust hat, kann man den Rückweg auf der anderen Seite des Flusses fortsetzen. Dort geht es durch den Wald, inklusive Bär-Warnschildern. In letzter Zeit wurden leider mehrere Menschen von Kragenbären getötet. Zum Glück nicht in Gunma, wir haben trotzdem die Bärenabschreckungsklingeln betätigt.

Die Wasserfälle sind nicht so unglaublich groß oder toll, dass man extra für sie nach Gunma fahren müsste, aber wenn man sowieso z.B. in Nikkō unterwegs ist und Zeit hat, kann man mal vorbeischauen. 🙂

Sendai.

Nach unserem recht katastrophalen Besuch im Fuchsdorf, ging es weiter in den Norden. Sendai (仙台) ist die größte Stadt der Region Tōhoku (東北). Mit etwas über einer Millionen Einwohnern ist sie Köln recht nahe – als Großstadt würde ich Sendai aber nicht unbedingt bezeichnen. 😉

Im Vergleich zur Hauptstadt Japans ist Sendai klein und entspannt. Es ist mehr los aus zum Beispiel in Matsumoto (松本), aber trotzdem muss man nicht von Attraktion zu Attraktion hetzen. 🙂 Es gibt zwar einiges zu sehen, wir haben uns aber letztendlich nur einige wenige Sachen herausgepickt.

Im März hatten wir in Nagasaki (長崎) einen halben Tag mit Sakamoto Ryōma (坂本龍馬) verbracht, dies Mal drehte sich alles um Date Masamune (伊達正宗), den Gründer der Stadt Sendai. Als Kind verlor er durch eine Pockenerkrankung eines seiner Augen* und wurde deswegen von seiner Familie nicht als Nachfolger seines Vaters, einem Samuraifürsten, gehandelt. Eigentlich sollte sein Bruder die Herrschaft übernehmen, was Masamune dazu anregte, das einzige zu tun, was man in so einer Situation tun kann – er ermordete kurzerhand seinen Bruder. Japanische Geschichte ist Game of Thrones.

* Einer Legende zufolge hat er sich das Auge übrigens mit bloßen Händen selbst rausgerissen, weil es nicht zu gebrauchen war. Später wurde er “einäugiger Drache” (独眼竜) genannt. Metal!

Masamune war aber nicht vollständig verrückt, nur skrupellos. 😉 Als Stratege war er sehr geschätzt, und er interessierte sich sehr fürs Ausland – sogar mit dem Papst nahm er Verbindung auf. Und das in einem Land, in dem das Christentum großteils illegal war!

Seine Burg ist leider nicht mehr erhalten, auf dem Berg, auf dem sie damals stand, findet man heute nur noch die Grundrisse und die Statue, die ihr im Titelbild sehen könnt. Eine tolle Aussicht über die Stadt hat man außerdem. 🙂

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Unser letzter Halt am Sonntag war der Ōsaki-Hachimangū (大崎八幡宮). Das Schreingebäude, das man heute besuchen kann, wurde von Date in Auftrag gegeben und ist absolut faszinierend.

Viele Schreine in Japan wirken eher zurückhaltend. Braunes Holz, ein paar unaufdringliche Verzierungen… der Ôsaki-Hachimangû ist schwarz mit viel goldener Dekoration, und mit in Primär- und Sekundärfarben bemalten Balken. Schaut euch auch mal die Kordeln an! Die sehen aus wie Zuckerstangen. 🙂

Ich zumindest kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, dieser Schrein ist vielleicht der schönste, den ich je gesehen habe.

Zum Abendessen liegen wir die lokale Köstlichkeit Rinderzunge (牛タン Gyūtan) links liegen, und gingen lieber Burger essen. 😉 Später verbrachten wir noch einige Zeit in Spielhallen, wo ich im Mario Kart mehrmals gegen meine Freundin verlor. Immer in der letzten Sekunde… 🙁

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Am nächsten Morgen gingen wir erst ganz gemütlich Frühstücken, bevor wir uns in den Bus in Richtung  Zuihōden (瑞鳳殿) setzten. Das Zuihôden ist Date Masamunes Mausoleum. Er selbst hinterließ die Pläne dafür, und ein Jahr nach seinem Tod war es erbaut. Vielleichth hatte man Angst, dass sein Geist Probleme bereiten würde, wenn es nicht schnell genug ginge? 😉 Das ursprüngliche Mausuleum wurde zwar im zweiten Weltkrieg zerstört, aber originalgetreu wiedererrichtet.

Genau wie auch der Schrein, den Masamune in Auftrag gegeben hatte, ist das Mausuleum wunderschön. Wieder ist die Grundfarbe Schwarz, mit reichen goldenen Verzierungen und farbenfrohen Figuren. Die Spatzen mit Bambus, die ihr auf den Türen sehen könnt, sind übrigens das Wappen des Date-Klans.

Nur geringfügig vom Zuihôden entfernt befinden sich das Kansenden (感仙殿) und das Zennōden (善応殿), in denen Masamunes Sohn Date Tadamune (伊達忠宗) und Enkel Date Tsunamune (伊達綱宗) begraben sind. Masamune und Tadamune folgten einige ihrer Untergebenen in den Tod, eine Praxis, die bei Tsunamune bereits illegal war.

Auch für die neunten und elften Daimyō (大名), Fürsten, gibt es Grabstädten, diese sind aber bei weitem nicht so schön wie die Mausoleen.

Den Kinderfriedhof (御子様御廟) haben wir uns nicht angesehen.

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An beiden Tagen unseres Ausflugs war es übrigens ziemlich heiß, wir hatten um die 30°C. Auf dem Weg zurück vom Zuihôden zum Bus hielten wir also an, um Eis zu kaufen. Leider kostete uns dieser Zwischenstopp die letzte Attraktion auf unserer Reise, die Nikka Whisky Fabrik Sendai (ニッカウヰスキー仙台工場). 🙁 Der Bus dorthin fährt nur einmal die Stunde, und obwohl wir es noch zur vorletzten Führung geschafft hätten, wollten wir keine 40 Minuten in der Hitze auf den Bus warten um dann eine Stunde hinzufahren. Vielleicht beim nächsten Mal.

Ich fand unsere Reise sehr entspannt. Wir haben nicht unglaublich viel gesehen, aber was wir gesehen haben, war schön. Wäre ich mit meinem Mann nach Sendai gekommen, hätten wir uns sicher mehr angeguckt und wären mit dem Auto durch die Gegend gefahren. Das ist zwar auch nicht schlecht, aber nach solchen Touren brauche ich meist Urlaub vom Urlaub. 😉 Diesmal nicht.

Sendai ist sicher nicht das Top-Ausflugsziel, vor allem, wenn man erst zum ersten Mal in Japan ist. Die Stadt ist dennoch sehr schön, und bei weitem nicht so von Touristen überrannt wie Tokyo, Kyoto oder Osaka. 🙂

Wo ist das echte Japan?

Shaoshi linkte zu einem Eintrag von Ulrike, über das Verlangen nach Authenzität auf Reisen.

Oft höre ich, dass Leute das echte Japan erleben wollen. Touristenfallen meidet man, andere Touristen sowieso. Man möchte Japan wie ein Japaner erleben. Eben total authentisch und unverstellt.

Das nimmt manchmal etwas eigenartige Züge an, ich war z.B. schonmal in einem “totalen Geheimtipp” trinken – es war dreckig, laut und die Karte gab es auch auf Englisch. Sehr geheim. 😉 Für Betreiber solcher Lokale lohnt sich das natürlich: Man modernisiert seinen Laden einfach nicht, legt englische Menüs auf den Tisch, und schon kommen die westlichen Touristen. Fabrizierte Authenzität, weil der gemeine Tourist es so erwartet.

Da wird dann noch mal in einem alten Minshuku (民宿), einem Privathaus mit Gästezimmern, übernachtet, um dieses echte Feeling dafür zu bekommen, wie die echten Japaner echt leben. Auch wenn man wegen des harten Futons am nächsten Tag Rückenschmerzen hat – und Japaner oft lieber in Hotels schlafen.

Wo man das echte Japan findet? Überall in Japan. Die wenigsten Orte hier werden beinahe ausschließlich für Touristen betrieben. Echte Japaner die echt in Tokyo wohnen gehen zum Sensō-Tempel (浅草寺) in Asakusa und nach Akihabara (秋葉原). Sie pilgern zu Sommerfeuerwerken und essen unter Kirschblüten.  Natürlich lohnt es sich auch, Orte abseits dessen, was man im Reiseführer findet, zu besuchen – aber nur weil etwas in einem Reiseführer aufgeführt ist, ist es nicht schlecht.

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Wenn ihr erleben wollt, was normale Japaner essen, geht zu CoCo Ichibanya (CoCo壱番屋) oder zu einer Izakaya-Kette. Dort essen im Monat viel mehr Japaner als in einem heruntergekommenen, versteckten Laden. Den dürft ihr aber natürlich auch gern unterstützen.

Japan ist ein modernes Land, das sicher aber auch seiner Kultur bewusst ist. Es gibt Dinge, die sind zwar alt, haben aber Platz im modernen Japan – und dann gibt es Hocktoiletten, die übrigens auch von jungen Japanern gemieden werden. 😉

Reisen muss nicht wehtun, um authentisch zu sein. 🙂