Nokogiriyama: In die Hölle gucken.

Gestern Morgen machten wir uns in aller Frühe auf den Weg zum Nokogiriyama (鋸山), dem Sägenberg. Er liegt in Chiba, an der Meeresbucht von Tokyo, und bietet einen fantastischen Ausblick. 🙂

Nach oben auf den Berg ging es mit dem Auto, mit dem kommt man fast bis zum Gipfel. Wir hatten um ehrlich zu sein einfach keine Lust, bis nach oben zu laufen. Wie das nach hinten losging, lest ihr weiter unten. 😀 Manchmal macht man sich mehr Arbeit, wenn man sie eigentlich vermeiden will.

Der Berg ist für verschiedene Dinge bekannt, unter anderem für den Blick in die Hölle (地獄のぞき). Der Aussichtspunkt für die Hölle befindet sich, wie viele der Sehenswürdigkeiten, auf dem Gelände des Nihon-Tempels (日本寺), für den man Eintritt bezahlt. Von der Aussichtsplattform, die ihr im Foto oben sehen könnt, guckt man gut 100 Meter in die Tiefe, was durchaus Angst bereitet, auch weil man weiß, dass man auf einer Klippe steht.

Die Berglandschaft sieht etwas speziell aus, weil früher die Steine von dort abgebaut und für den Bau verwendet wurden. Das Fundament des Schlosses von Tokyo besteht laut meinem Mann aus Steinen vom Nokogiriyama. Man hat also gerade Felswände, die viele Meter in die Höhe reichen, und durchaus befremdlich aussehen.

Wenn man viele Treppen nach unten steigt, erreicht man den großen Buddha (大仏 Daibutsu). Dieser hier wurde im 18. Jahrhundert von 27 Leuten drei Jahre lang aus dem Gestein gemeißelt. Er erreicht eine Höhe von etwa 31 Metern, und ist damit der größte Steinbuddha in Japan.

Er ist natürlich durchaus beeindruckend, aber ich finde den großen Buddha in Nara dann doch hübscher. 🙂 Hat eben jeder seine Vorlieben.

Nachdem wir den Steinbuddha gesichtet hatten, wollte mein Mann weiter nach unten, zu einem Teich. Zu diesem Zeitpunkt taten mir die Beine schon ziemlich weh, aber ich ließ mich dennoch breitschlagen. Der Teich ist schon fast am Fuß des Berges, weit entfernt von unserem Leihwagen. Dementsprechend mussten wir den ganzen Berg wieder hochkraxeln, also zumindest gefühlt eine Ewigkeit Treppen hochsteigen. Heute habe ich Muskelkater. 😉 Ich würde jedem empfehlen, einfach mit der Seilbahn hochzufahren und dann runterzulaufen. Das ist weniger anstrengend.

Auch wenn wir danach ziemlich fertig waren, der Nokogiriyama hat sich gelohnt. Mit sauberer, kühler Luft, Vogelgezwitscher und Bewegung fühlt man sich gleich besser. Heute ruhen wir uns einen Tag aus, bevor es wieder an die Arbeit geht. 🙂

Euch allen wünsche ich einen guten Montag!

Dieses Frühjahr geht es nach…

Unsere letzte Reise, nach Hiroshima (広島), liegt schon wieder fast ein halbes Jahr zurück. Zwar kommen meine Eltern und meine Schwester Ende April nach Japan, zu welchem Anlass wir wieder eine kleine Reise gebucht haben (nach Kanazawa (金沢)!), aber bis dahin in Tokyo bleiben?! Niemals.

Wir hatten uns eigentlich überlegt, dass wir nach Kyoto (京都) fahren könnten. Dort waren wir zwar schon zweimal, aber ich habe kaum Fotos aus der Zeit und würde gern noch einmal hinfahren. Meinen Mann kann man mit Kyoto allerdings nicht hinter dem Ofen hervorlocken.Er findet die Stadt jetzt einfach nicht schrecklich interessant.

Mir zuliebe hatte er sich dennoch darauf eingestellt, dass es dorthin gehen würde – Zumindest bis er auf die Idee kam, dass man ja auch einmal schauen könnte, wie teuer die Reise nach Ehime (愛媛*) wäre. Dort waren wir beide noch nie. Wir schauten uns also auf den Internetseiten der üblichen Verdächtigen um – und mussten feststellen, dass es absolut bezahlbar ist.

* 愛媛 bedeutet “liebliche Prinzessin”. 🙂

Schnell unternahmen wir einen Ausflug zum Buchladen um die Ecke, um einmal in den Reiseführern zu gucken, ob in Ehime überhaupt genug zum Angucken ist. Urlaub hat man in Japan wenig, deswegen muss der immer zum Bersten gefüllt werden. 😀

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Reiseeinträge zu anderen Städten auf der Karte: Beppu, Ôita (obwohl wir da nicht viel gesehen haben), Hiroshima, Kurashiki, Kôbe!

Ehime befindet sich auf der kleinsten der vier japanischen Hauptinseln, Shikoku (四国). Shikoku heißt wörtlich vier Länder und auf der Insel befinden sich vier der 47 Präfekturen Japans . Bei Kyûshû (九州; wörtl.: Neun Provinzen) haut das nicht mehr so hin. 😉 Positionstechnisch liegt Shikoku, durch das Meer von der Haupt-Hauptinsel getrennt, zwischen Hiroshima und Osaka (大阪).

Wir werden also am 25.3. (in nur zwei Wochen!) morgens in den Flieger nach Matsuyama (松山) in Ehime steigen. In Matsuyama selbst gibt es einiges zu sehen, z.B. eine Burg und einer der Onsen, von dem das Badehaus in “Chihiros Reise ins Zauberland” inspiriert wurde. Die erste Nacht übernachten wir in Matsuyama, und am nächsten Morgen werden wir noch ein wenig durch Ehime kurven, um dann weiter in den Süden der Insel zu fahren: Nach Kôchi (高知), was eine weitere Präfektur ist. Dort gibt es, wie auch in Ehime, tolle Natur zu bestaunen. Die zweite Nacht werden wir in Kôchi verbringen, bevor wir am Montag vom dortigen Flughafen aus wieder nach Tokyo fliegen.

四万十川

Klingt nach einem Plan, oder? 😀

Ich freue mich natürlich auf die Reise, mein Mann freut sich noch mehr – schließlich muss er nicht nach Kyoto. 😉 Wahrscheinlich werde ich die Kyoto-Reise aber nachholen, notfalls halt ohne ihn.

Habt ihr schon einmal eure Reisepläne drastisch geändert? 🙂

 

Hiroshima, Teil 5: Miyajima. Noch einmal.

An unserem letzten Tag in Hiroshima wollten wir noch einmal Miyajima besuchen. Die Insel hatte uns von all den besuchten Orten am besten gefallen, und wir hatten noch nicht alles gesehen. Also checkten wir aus, ließen unser Gepäck aber an der Rezeption, und fuhren mit der Bahn und der Fähre nach Miyajima. Dort angekommen ging es schnurstracks zur Seilbahn um auf einen Berg der Insel, den Misen (弥山), zu kommen.

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Die war etwas weiter weg vom Schuss als wir dachten. Eigentlich hätte uns allein die Existenz eines Busses zwischen Dorf und Seilbahn eigenartig vorkommen müssen, aber so liefen wir eben bergauf durch bewaldetes Gebiet. Der erste Teil der Strecke wurde in kleinen Gondeln bewältigt, wir fuhren also zu zweit nach oben. Schon von den Gondeln aus hatte meinen einen relativ guten Ausblick, nur leider war das Wetter nicht mehr so schön wie bei unserem ersten Besuch.

Nach einem kurzen Zwischenstopp wurden wir in eine große Gondel umgeladen, die etwas weniger angenehm war. Man versuchte so viele Menschen wie möglich hineinzustopfen, und wir fühlten uns etwas wie Sardinen.

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Oben auf dem Berg angekommen, konnten wir zwar die Inseln in der Ferne ausmachen, aber so richtig gut war das Wetter nicht. In weiser Vorraussicht fuhren wir dann auch wieder nach unten, statt uns die umliegenden Tempel anzusehen. Bei schönem Wetter lohnt sich eine Fahrt auf den Misen sicher wirklich, wir hatten einfach nur Pech. Aber schließlich hatten wir schon zwei Tage fantastisches Wetter erlebt, wenn es dann am dritten Tag nicht mehr so läuft, ist das auch nicht weiter tragisch.

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Unten angekommen war gerade Ebbe. Wir konnten also zu Fuß bis zum großen Torii laufen, was durchaus ganz witzig war. Schöner sieht es trotzdem bei Flut aus. 🙂 Vor dem Torii steht übrigens ein Schild, das es Besuchern untersagt, Muscheln vom Torii abzunehmen. Scheint ein großes Problem gewesen zu sein.

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Wir bewegten uns, an Momiji-Manjū (もみじ饅頭) knabbernd, zurück zum Hafen. Statt wieder auf dem selben Weg zurück zu fahren, wollten wir nach 45 Minuten mit der Fähre am Friedenspark ankommen. Da diese Fähre nicht so oft fährt, warteten wir eine ganze Weile. Während des Wartens sahen wir das Reh im oberen Bild. Scheinbar hatte es sich in den Kopf gesetzt, ins Restaurant zu kommen. Was ein Reh mit Austern und Seeaal will, ist mir aber auch im Nachhinein nicht ganz ersichtlich. 😉 Die Besitzer des Restaurants hatten das Problem scheinbar nicht zum ersten Mal, sie deaktivierten einfach die automatische  Tür.

Kurz bevor wir die Fähre bestiegen, fing es plötzlich an zu regnen, und zurück in Hiroshima schüttete es aus Eimern. Also kauften wir Mitbringsel für unsere Mitarbeiter, suchten uns Ekiben (駅弁) aus, und stiegen in den wartenden Shinkansen zurück nach Tokyo.

Hiroshima war wirklich ein toller Urlaub, einen Besuch der Präfektur würde ich jedem empfehlen. Es war viel schöner und auch viel weniger überrannt, als wir dachten. 🙂

Hiroshima, Teil 4: Friedenspark.

Am 6. August 1945 um 8:16 Uhr morgens explodierte die Atombombe “Little Boy” 600 Meter über Hiroshima. Ihr eigentliches Ziel war die Aioi-Brücke (相生橋), stattdessen traf sie ein Krankenhaus. Bis zu 80.000 Menschen, die sich in der Innenstadt aufhielten, starben sofort, ihre Schattenrisse in die umliegenden Häuser eingebrannt.

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Heute befindet sich in der Nähe des Abwurfsortes der Friedenspark (平和記念公園). Er wurde vom Architekten Tange Kenzō (丹下健三) geplant, und führt von der Friedensstraße (平和通) zur Atombomben-Kuppel (原爆ドーム). In dem Park befindet sich auch das Friedensmuseum Hiroshima (広島平和記念資料館), in dem Ausstellungsstücke zu sehen sind, die an den Horror des Atombombenabwurfes erinnern. Da mir allein schon in dem Park Tränen aufstiegen, ließen wir es aus.

Unter dem Bogen, den ihr auf dem oberen Bild sehen könnt, befindet sich ein Kenotaph mit den Namen der Atombombenopfer. Ein Kenotaph ist ein leeres Grab, mit dem an die Toten erinnert werden soll, welches aber keine sterblichen Überreste enthält. Sieht man durch das Monument hindurch, kann man die Friedensflamme sehen. Diese Flamme wird erst erlöschen, wenn es auf der Welt keine Atombomben mehr gibt. Leider sah der “Tage seit dem letzten Atomtest”-Counter am Friedensmuseum nicht sehr vielversprechend aus. Schließlich hatte man gerade erst in Nordkorea getestet.

friedenspark-2Die Atombomben-Kinder-Statue (原爆の子の像) zeigt Sadako Sasaki, die als Kind an Leukämie in Folge der Atombombenstrahlung starb. Als die Atombombe explodierte, war sie zwei Jahre alt und etwa zwei Kilometer vom Abwurfsort entfernt. Mit zwölf Jahren starb sie.

Im Krankenhaus begann sie Origami-Kraniche zu falten. Wenn man 1000 Kraniche faltet, hat man einen Wunsch frei. Deswegen trägt auch ihre Statue einen Origami-Kranich.

In den Glasboxen hinter der Statue befinden sich Reihen über Reihen von Kranichen, die von verschiedenen Schulen gefaltet wurden.

Leider ist nicht gesichert, ob sie über 1000 Kraniche faltete oder bei 644 aufhören musste. Im Museum steht wohl das eine, ihre Familie sagte das andere.

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Nur wenige Meter vom Explosionsort des “Little Boy” entfernt stand die Halle zur Förderung der Industrie der Präfektur Hiroshima (広島県産業奨励館), vom Tschechen Jan Letzel erbaut. Obwohl durch die Explosion alle sich im Gebäude befindlichen Menschen umkamen, blieb die charakteristische Kuppelkonstruktion erhalten. Deswegen heißt das Gebäude heute Atombomben-Kuppel. Als Mahnmal wird die Atombombenkuppel nicht instand gesetzt*, man verhindert lediglich den weiteren Zusammenbruch des Gebäudes.

* Anders als die Frauenkirche, die vor der kompletten Instandsetzung auf mich sehr viel eindrucksvoller wirkte.

Wenn man durch Hiroshima läuft, denkt man für gewöhnlich nicht an den Krieg. Natürlich, in Kure waren wir im Marine-Museum, und jeder verbindet Hiroshima irgendwie mit dem Krieg. Aber wenn man dort ist, und sich von der Schreininsel Miyajima oder dem Ort Onomichi hat verzaubern lassen, wirkt das alles unglaublich weit weg. Als ich dann im Friedenspark stand, fühlte ich mich, als hätte mir die Realität in die Magengrube geschlagen. Die Bitte nach 世界平和, Weltfrieden, auf den Wunschtafeln in den Schreinen wirkte plötzlich nicht mehr so abgedroschen.

Denn was könnte es Größeres geben als die Aussicht darauf, dass so etwas nie wieder geschieht?