Dinge, die ich in Japan gelernt habe.

湿度100パーセント

©Yahoo

Luftfeuchtigkeit (湿度, shitsudo) 100% heißt nicht, dass es regnet.

Langsam wird es Frühling, und während die Kirschblüten natürlich fröhlich vor sich hinblühen, steigt auch die Luftfeuchtigkeit wieder an. Gepaart mit plötzlichen Temperaturstürzen und der japanischen Bahn (zu leise!) schlafe ich regelmäßig auf dem Weg nach Hause ein und komme mal wieder zu gar nichts. Bahnschlaf ist kein erholsamer Schlaf.

Darauf schiebe ich auch komplett, dass keine neuen Einträge kommen. Aber! Demnächst! Kommt eine Freundin von mir mit zwei ihrer Freundinnen nach Tokyo und wir machen das Touri-Programm. Die Kamera kommt mit, und dann wird das hier ein “Wo kann ich in Tokyo viel Geld ausgeben”-Blog. 😉

初雪 in Tokyo.

Schnee!Gestern war Feiertag, weswegen wir den ganzen Tag zuhause waren. Kurz nach Mittag fing es plötzlich an wie verrückt zu schneien.

In Tokyo schneit es ungefähr zwei Mal in einem Winter, gestern war es das erste Mal, also 初雪 (Hatsuyuki, “Erster Schnee”).  Sobald es in Tokyo schneit geht alles drüber und drunter, denn die Japaner sind einfach nicht drauf vorbereitet und für ein paar Tage im Jahr legt sich kaum jemand Winterreifen zu.

Weil es absolut nicht aufhören wollte zu schneien, war unser Plan, Pizza zu bestellen. Das ist in Japan zwar ein sehr teures Unterfangen (wir zahlen pro Pizza bei uns mindestens 16,50€), aber unsere Bequemlichkeit und Abneigung gegen Schneestürme hätte uns darüber hinwegsehen lassen. Dummerweise hatten aber alle Lieferdienste schneebedingt geschlossen.

Wir hatten aber so gut wie nichts mehr zuhause, und so machten wir uns auf den langen Weg zum nächsten Conbini. Mein Mann hatte Spaß und wollte eine Schneeballschlacht starten, was mich aber nur zum Kreischen animierte. Ohne Handschuhe hätte ich mich schlecht anders wehren können. 😉

Heute Morgen war der Weg zur Bahn die reinste Rutschpartie. In Tokyo hat noch nie jemand von Streusalz gehört, deswegen bildet sich immer neues Eis auf den Gehwegen. Letztendlich habe ich es ohne größere Verletzungen zur Arbeit geschafft und damit war’s das auch wieder bis zum nächsten Jahr – hoffentlich.

Es wackelt schon wieder.

Ich rede Erdbeben gern herunter. Wirklich, die meisten Erdbeben bekomme ich nicht einmal mit.

Wie ihr vielleicht schon in Radio, Fernsehen und sonstwo mitbekommen habt, gab es heute um kurz nach fünf (Ortszeit) ein etwas stärkeres Beben. Das war recht beeindruckend, weil ich grade beim Koreanischunterricht in einem Café mit freischwingenden Lampen war, und die natürlich durch die Gegend schwangen, als gäbe es kein Morgen. Die Stärke war auch gar nicht so schrecklich, sondern die Länge. Solang es noch andauert kann es nämlich auch noch stärker werden. Super Aussichten!

Während in Deutschland von Magnitude 7.3 im Epizentrum die Rede ist, ist es in Japan (auf dem Land) aber höchstens ein “震度 (Shindo, Bebengrad) 5 (schwach)”-Beben gewesen. Japan nutzt die JMA-Skala (JMA steht für Japan Meteorological Agency), die in zehn Grade von 1 bis 7 unterteilt ist. Auf Wikipedia gibt es zu den Stufen eine gute Zusammenfassung.

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Eine typische Erdbebenkarte sieht dann übrigens so aus wie oben. Das Kreuz markiert das Epizentrum, und von dort aus abgestuft wird für einzelne Gebiete der Shindo angezeigt. Für die meisten Leute ist Shindo einfacher verständlich als Magnituden, zumal man auf der Karte auch direkt sieht, wo das Erdbeben wie stark angekommen ist.

Bei uns* war es Shindo 4 (hängende Lampen wackeln, Geschirr geräuscht, manchmal merkt man es auch im Auto). Zusammen mit dem Beben heute Morgen um halb sechs (Shindo 2), das meinen Mann und mich aufgeweckt hat, ist das nicht ganz so schön. Im Café haben meine Lehrerin und ich uns auch schon aufs Flüchten vorbereitet (alles in die Taschen und Jacken an), aber irgendwann hörte es auf zu rütteln.

* Im Osten Tokyos und in Chiba

Auf dem Weg nach Hause fuhren die Bahnen mit stark verringerter Geschwindigkeit, ich weiß nicht genau warum, kann mir aber vorstellen, dass auch eine Bahn schneller vor durchs Beben auf die Gleise gelangte Hindernisse abbremsen kann, wenn sie nur 20km/h fährt. Natürlich lief bei einigen Linien gar nichts mehr, weil erst einmal eine Sicherheitsüberprüfung stattfand, zum Glück habe ich es aber mit nur 30 Minuten Verspätung nach Hause geschafft.

Ich hoffe, dass es das jetzt erstmal war, ein großes Beben bei Temperaturen um die Null Grad möchte ich mir nämlich nicht ausmalen.

In Japan war was.

Sobald in Japan irgendetwas geschieht, was auch in deutschen Medien Beachtung geschenkt bekommt, bekomme ich besorgte Nachrichten, ob denn alles in Ordnung wäre. Nach starken Regenfällen gibt es Überschwemmungen in Ôita und Kumamoto im Süden Japans bekam ich diesmal von der Mutter einer Freundin die Frage, ob alles in Ordnung sei, sonst auch gerne mal von sämtlicher Verwandtschaft.

Das hängt damit zusammen, dass auf Nachrichtenseiten (und wahrscheinlich auch im Fernsehen) nicht darauf eingegangen wird, wo genau im Lande denn etwas passiert ist. Für den normalen Leser oder Zuschauer ist das auch nicht besonders relevant, für jemanden, der jemanden in Japan kennt, schon eher.

Japan ist flächenmäßig ein wenig größer als Deutschland, doch die Fläche ist ganz anders verteilt – in die Länge nämlich. So gibt es 北海道 (Hokkaidô), wo vor Jahren die olympischen Winterspiele stattfanden (soll heißen, es gibt Schnee. Viel davon.) und aber auch 沖縄 (Okinawa), dessen Ausläufer-Inseln näher an Taiwan als an Japan liegen, wo Palmen sich im Wind wiegen und die durchschnittliche Temperatur im kältesten Monat des Jahres 18°C beträgt.

Originalkarte von LASDEC

In 千葉 (Chiba) leben wir, 福島 (Fukushima; die mit dem Atomunfall) liegt über 200 Kilometer von uns entfernt. Das ist in etwa so weit wie die Strecke von Berlin zum Kernkraftwerk Krümmel. Weiterhin gibt es in 北海道 (Hokkaidô) bekanntermaßen Bären, aber die sind zum Glück über 800 Kilometer weit weg. Da ist Stockholm näher an Berlin dran. Im südlichsten Süden des Landes liegt 石垣島 (Ishigakijima), wo wir unsere Flitterwoche verbracht haben. Von Tokyo bis dorthin sind es fast 2000 Kilometer und damit mehr als von Berlin nach Valencia.

Das gesamte Land ist ca. 3000 Kilometer lang, das entspricht der Luftstrecke zwischen Helsinki und Madrid. Auf Berlin übertragen war die Überschwemmung östlich von Paris, wir haben also absolut nichts mitbekommen. 🙂 Ich glaube, Sorgen muss man sich um uns erst machen, wenn etwas ausdrücklich in Tokyo passiert ist, ansonsten geht es uns gut.

Ist eben ein großes kleines Land, dieses Japan.