Wie ich meinen Mann kennengelernt habe.

Immer wenn ich erzähle, dass ich seit inzwischen zwei Jahren mit einem Japaner verheiratet bin, und dass wir uns in Japan getroffen haben, werde ich gefragt, wie und wo und überhaupt. Hier also eine kleine Zeitreise.

Ins Jahr 2008.

Damals war ich immer mit recht vielen anderen Ausländern unterwegs, und um Weihnachten herum kam auch eine deutsche Freundin wieder nach Tokyo. Am 24. Dezember gingen wir zusammen zur Wohnung schwedischer Freunde, um dort mit vielen anderen Leuten das Weihnachtsfest zu begehen. Ein koreanischer Freund hatte einen weiteren koreanischen Freund dabei, der meine deutsche Freundin unglaublich dringend am nächsten Tag noch einmal sehen musste.

Ein Foto von unserer japanischen Hochzeit

Ein Foto von unserer japanischen Hochzeit

Problem: Er sprach nur Japanisch und Koreanisch, meine Freundin nur ein wenig Japanisch und ansonsten Englisch und Deutsch. Was macht man also? Man schleppt mich mit, zum Übersetzen. Weil man aber nicht zu dritt zu einem Date geht, wurde ein Freund herbeitelefoniert um eine grade Zahl zu ergeben. Dieser Freund: Mein jetziger Mann.

Nachdem wir alle Sukiyaki essen waren, wurde ich von ihm nach Hause gebracht, so richtig funkte es aber noch nicht. E-Mail-Adressen wurden trotzdem ausgetauscht.

Über die nächsten Tage und Wochen sind wir uns dennoch immer näher gekommen und irgendwann schickte ich ihm eine E-Mail: “大好き!” (Daisuki!, Ich mag dich!*), woraufhin ich folgende romantische Nachricht direkt vom Herzen bekam: “ありがとう” (arigatô, danke). Super.

* Bzw. auch “Ich liebe dich”, obwohl es dafür auch 愛してる (aishiteru) gibt.

Auf Nachfrage sagte er mir, dass er annahm, ich würde ihn nur wie einen Kumpel mögen… Da öffne ich mein Herz, und dann das. Das Missverständnis konnte aber offensichtlich aufgeklärt werden. Leider waren nur noch etwa sechs Monate meines Working Holiday-Visums übrig, aber das hat uns beiden ausgereicht festzulegen, dass wir heiraten, sobald mein Mann sein Studium abschließt. Und so geschah es nach etwas über zwei Jahren Beziehung (davon eineinhalb Jahre Fernbeziehung). Den Rest könnt ihr hier im Blog lesen. 😉

“Goodbye Deutschland!” oder “Ich bin ein schrecklicher Mensch”

Wir haben zuhause keinen Fernseher, weswegen der Mann von der NHK uns immer wieder ungläubig anstarrt. Das heißt natürlich nicht, dass wir kein Fernsehen sehen. Wofür gibt es das Internet?

An deutschen Sendungen gucke ich Zapp, Die Story, Menschen hautnah und… Goodbye Deutschland! An letzterem habe ich ein beinahe morbides Interesse, auch wenn sich vor kurzem das Sendungskonzept scheinbar etwas geändert hat. Während normalerweise hauptsächlich Familien bei ihren ersten ersten Schritten im Ausland begleitet wurden, liegt der Fokus jetzt auf Familien, die schon länger im Ausland leben – das macht nicht mehr so viel Spaß. Erfolgreichen Menschen zuzusehen ist langweilig.

Goodbye Deutschland war für mich sonst immer perfekt: Wenn jemand auswandern wollte, könnte man ihm einfach zwei Folgen der Sendung vorspielen und sagen “So machst du das bitte nicht”. Ob das am “guten” Casting oder am Schnitt lag, weiß ich nicht, aber der stereotypische Auswanderer in der Sendung spricht kein Wort der Sprache des Landes in das er ziehen will, hat keine Ahnung von behördlichen Angelegenheiten, keinen Job und keine Ersparnisse. Das sind natürlich nicht die typischen Auswanderer, sondern die, die geeignet für’s Fernsehen sind, auf dass sich der Zuschauer überlegen fühlen kann. So schwer kann Auswandern gar nicht sein, wenn man es sich nicht selbst schwer macht.

Ist es auch nicht. Man sollte sich nur darüber klar sein, dass man wirklich in ein anderes Land zieht, in dem einiges anders ist, und das “anders” kein anderes Wort für “perfekt” ist. Kein reales Land ist ohne Probleme. In keinem realen Land stößt man nicht manchmal auf unerwartete Mauern, wenn eben nicht alles so einfach ist wie gedacht. Und: Nur weil man umzieht lösen sich nicht alle Probleme in Luft auf, denn die schleppt man mit.

In Japan habe ich viele getroffen, die herkamen mit hohen Erwartungen ans Land, und inzwischen total frustriert sind. Viele Leute, die in ihrem Heimatland nicht richtig reingepasst haben, die meinen, in Japan könnten sie endlich so sein, wie sie sind. Das klappt meist nicht, denn Japan ist nicht das Land der Freigeister. Die japanische Mentalität unterstützt dich auch nicht, wenn du unten bist – denn an allem wird die Schuld dir zugeschoben.

Trotzdem mag ich es, hier zu leben. Auch mit weniger Geld auf dem Konto als in Deutschland, weil hier zu leben teuer ist. Auch wenn jeden Tag auf Arbeit 18 Kinder um mich herum hüpfen und schreien. Auch wenn es natürlich manchmal noch Verständigungsprobleme habe. Vielleicht ist Japan nicht das perfekte Land für mich sondern, was weiß ich, Malaysia, aber zurück nach Deutschland will ich erstmal nicht. Heimweh habe ich auch nicht, denn ich weiß ja, dass in Deutschland alles gut läuft.

Ich weiß auch, dass hier in Japan alles gut läuft. Es geht uns gut, ich integriere mich, und die Tage, an denen ich mich über etwas ärgere, nehmen ab.

Bei Goodbye Deutschland wandern sie derweil wieder zurück.

Alles redet mit mir.

Als ich 2008 das erste Mal nach Japan kam, gab es nur eine Sache, die mir ernsthaft Sorgen bereitete: Alles machte Geräusche. Alles erzählte mir irgendetwas. In einer Sprache, die ich nur ansatzweise sprechen konnte. Selbst heute wundert es mich noch ein wenig, wie man ständig zugelabert wird.

In der Bahn:

Es kann sein, dass wir um einem Unfall vorzubeugen plötzlich stoppen müssen, also halten Sie sich fest. In dieser Bahn gibt es Priority Seats für ältere Menschen, Menschen mit Bewegungseinschränkungen, Schwangere, die kleine Kinder dabei haben. Wir bitten Sie, in der Nähe der Priority Seats das Handy auszuschalten. Sehen Sie bitte im Rest der Bahn von Telefongesprächen ab.

Auf der Rolltreppe:

Bitte treten Sie nicht auf den gelb markierten Bereich. Bitte halten Sie sich fest. Bitte seien Sie vorsichtig.

Von einem Krankenwagen:

Bitte machen Sie den Weg frei, dies ist ein Krankenwagen.

Am Geldautomaten:

Bitte stecken Sie ihre Karte rein. Bitte geben Sie ihre PIN ein. Bitte geben Sie den abzuhebenden Geldbetrag ein.

Und all das erwartet Aufmerksamkeit von einem. Richtig ruhig ist es nicht einmal zuhause, denn jeden Tag um halb fünf gibt es folgende Ansage aus den großen Lautsprechern, die überall draußen installiert sind:

Dies ist eine Ansage. Es ist halb fünf und wird langsam dunkel, also spielt nicht mehr draußen.

Und um fünf gibt es natürlich ein Glockengebimmel um den Feierabend einzuläuten.

Zum Glück lebe ich nicht in Shinjuku oder an ähnlichen Orten, wo sich zu all dem auch noch der Krach der Geschäfte gesellt. Marktschreien ist hier nämlich noch in Mode.

Freunde.

Es war damals, als ich 2008 nach Japan gekommen bin, genauso schwierig Freunde zu finden, wie jetzt. Damals hatte ich das Glück, dass eine Bekannte in Tokyo einen Sprachkurs belegt hat, und ich viele Sprachschüler kennengelernt habe. Da war ich also, in Japan, umgeben von vielen Schweden*, und sprach Englisch.

* Die Schweden haben ein Programm, bei dem sie vom Staat Geld leihen können, wenn sie im Ausland eine Schule besuchen.

Auf Arbeit wurde Deutsch und Japanisch gesprochen, und mein Japanisch verbesserte sich kaum. Japanische Freunde habe ich auch nicht gefunden, vielleicht hatte ich einfach Pech oder zu wenige Möglichkeiten jemanden kennen zu lernen. Fremde ansprechen kommt in Japan noch komischer, als in Deutschland, vor allem wenn man Ausländer ist.

Dann wechselte ich den Beruf, und plötzlich wurde zwar ausschließlich Japanisch und Chinesisch gesprochen, aber ich war von älteren japanischen Damen und marginal jüngeren Chinesinnen umgeben. Die machten sich als Freunde nicht all zu gut, und mein Japanisch verbesserte sich zwar, war aber noch immer relativ schlecht.

In diesem Jahr habe ich auch im weiteren Verlauf keine Freundschaften mit Japanern geschlossen, außer mit dem einen, mit dem ich jetzt verheiratet bin. Das Problem ist, dass man als minder qualifizierter Ausländer oft an Jobs kommt, in denen viele andere Ausländer arbeiten, was nicht besonders hilft, wenn man Japaner treffen will.

Dieses Mal habe ich im Vorfeld verschiedene Leute gefragt, ob sie nicht jemanden in Tokyo kennen, und treffe mich unregelmäßig mit diesen, mir vorgestellten, Japanern. Mit einer wird das glaube ich noch was ganz Gr0ßes, aber sie hat kaum frei. Der nächste Schritt wäre, andere Leute kennen zu lernen, über diese Leute, aber das dauert noch ein wenig. Ihr werdet sehen, in zehn Jahren, da habe ich mindestens fünf Freunde!

Zusammenfassend wäre zu sagen, dass ich es nicht leicht fand oder finde, Freunde zu finden. Das ist aber auch nicht unbedingt meine Spezialität und war es noch nie, deswegen geht es anderen da sicher ganz anders.