Zu schlau für mich.

Ich besitze genau ein Armband. Es ist ein wichtiges Armband. Und zwar war es ein Geschenk meiner Schwiegermutter an mich bevor ich im Sommer 2009 nach meinem Working Holiday zurück nach Deutschland gehen musste.

P1040114

Das sind wir vor fünf Jahren. Ojemine.

Die Familie meines Mannes hatte mich nach 日光 (Nikkô) eingeladen, einem Touristenort mit vielen Tempeln. Es war zwar nicht das erste Mal, dass ich seine Eltern traf, aber natürlich war ich trotzdem nervös.

Wir fuhren morgens um sechs los, und kamen nach einer langen Reise über Serpentinen an. Nikkô ist wirklich schön, mit alten Tempeln und viel Grün. Bei Terroristen* Touristen ist der Ort natürlich auch sehr beliebt, man fühlt sich also manchmal etwas durch die Gegend gedrängt – aber das ist ja nichts, was wir nicht aus unserem Alltag mit dem Tokyoter Bahnsystem kennen würden.

* Das war gerade ein echter Tippfehler, den ich drinbehalten wollte.

Auf unserem Weg zurück hielten wir an einem Restaurant vorbei und aßen Curry, als Stärkung für den doch recht langen Rückweg. Nach dem Essen gab meine Schwiegermutter mir ganz verstohlen ein Geschenk: Ein sehr simples, wunderschönes Weißgold-Armband. Es ist von 4°C (4度C; Yon-do Shî), einer japanischen Schmuckfirma, und war ziemlich teuer. Für die Freundin des Sohns doch ein sehr großes Geschenk, zumal wir zu diesem Zeitpunkt erst seit fünf Monaten zusammen waren. Damals hatten wir aber schon beschlossen, dass wir heiraten würden. Ein etwas naiver Entschluss, mit rosaroter Brille und Glitzern in den Augen gefasst, aber offensichtlich hat es geklappt. 😀

20140420_144546Weil das Arband so teuer war, benutze ich es recht selten. Dünne glitzernde Armbänder sind auf Arbeit einfach nicht praktisch, könnten leicht kaputt gehen, zumal es auch absolut nicht zu meinen Arbeitsklamotten passt. Ich hatte es also, in ein kleines weißes Beutelchen verpackt, an einem total offensichtlichen Ort verstaut.

Nun kenne ich mich natürlich, als ich es also am Wochenende nach langer Zeit mal wieder tragen wollte, suchte ich an all meinen üblichen Orten: In meinem unübersichtlichen Accessoire-Verstau-System. Im oberen Teil der Wandschränke, zwischen all den Kisten für Elektronik, die wir gekauft haben. In dem Täschchen mit meinem Haarkrams. Als die Zeit langsam knapp wurde, ich hatte mich mit meinem Mann am Bahnhof verabredet, blieb eigentlich nur noch ein Ort übrig, aber das wäre zu logisch, da würde ich es nie hinpacken…

Es war in einer von zwei Ringboxen, die ich habe und die an ihrem angestammten Ort waren. Da hatte ich es total logisch verstaut, mit meinem anderen Schmuck, traute mir aber selbst nicht zu eben das getan zu haben. Hach.

Spontaner Hirnausfall.

Kennt ihr das, wenn irgendetwas in eurem Kopf total vernünftig klingt? Auch, wenn jemand anders sagt, es wäre falsch? Bis euch nach viel zu langen 30 Sekunden auffällt, was für einen Stuss ihr verzapft habt?

Ich will ja nicht angeben, aber das passiert mir ständig. Am schönsten ist eigentlich folgende Episode aus der Zeit, als ich in einem deutschen Restaurant in Aoyama gearbeitet habe. Wir mussten für jeden Gast das aktuelle Tagesmenü runterbeten. Ich weiß nicht mehr genau, was es an diesem Tag war, aber eines der Angebote war mit おろし大根 (oroshi daikon; geriebener Riesenrettich).

Claudia: (blablablablabla) とおしり大根 (to oshiri daikon)・・・

Der Tisch lacht.

Mitarbeiter: Bist du dir sicher?

Claudia: おしり大根, oder?

Der Tisch lacht weiter.

Mitarbeiter: おろし大根 (oroshi daikon) heißt das!

Was war so lustig? おしり (oshiri) heißt Hintern. Ich wollte den Damen und Herren also Hintern-Rettich andrehen.

Oft sehe ich auch Dinge, die direkt vor mir sind, nicht. Dann frage ich, wo irgendetwas ist, und man zeigt sich verwundert, wie ich es nicht sehen konnte. Hirnausfall.

Weil mir das so oft passiert und immer etwas peinlich ist, habe ich mich letztens ein bisschen gefreut, als es jemand anders passierte. In der Drogerie wollte ich bezahlen.

Kassierer: 2,064Yen bitte.

Ich lege 2,504Yen hin.

Kassierer: Haben Sie 100Yen?

Ich: Nein, leider nicht.

Er schaut mich an, als wäre ich verrückt. Ich überprüfe die Preisanzeige der Kasse und das Geld, das ich hingelegt habe.

Er: Dann legen wir etwas zurück?

Ich: Warum?

Er: Weil das Geld nicht reicht.

Ich: … Das sind 2,504Yen. Das sollte reichen.

Er zählt durch. Schaut auf die Anzeige. Ist sichtlich peinlich berührt.

Er: Ojee, das tut mir so leid.

Und der Rest der Transaktion verläuft ohne weitere Zwischenfälle.

Ich bin nicht die Einzige, der so etwas passiert! 😀

Meine Pop-Kultur.

(c)矢沢漫画制作所/集英社・VAP・マッドハウス・NTV

(c)矢沢漫画制作所/集英社・VAP・マッドハウス・NTV
Nana habe ich geliebt!

Etwas was ich immer wieder etwas schade finde ist, dass ich nicht mehr Interesse an der japanischen Popkultur habe. Früher war das natürlich anders. Früher, als ich noch in Deutschland und das alles doch irgendwie recht exotisch war. Seit ich das erste Mal nach Japan gezogen bin hat sich da einiges geändert.

Ich lese keine Manga. Wir haben keinen einzigen zuhause und dabei wimmelt es in den Buchläden nur so davon. Früher habe ich Manga verschlungen, ich weiß gar nicht mehr was ich alles gelesen habe, aber viel. Es gab auch nie einen Punkt an dem ich Manga irgendwie abgeschworen hätte. Ich habe nur einfach keine mehr. Bei Anime war das sehr ähnlich. Früher habe ich sehr viel gesehen, natürlich immer auf Japanisch mit Untertiteln, welcher Anime-Enthusiast mit Selbstrespekt würde es anders tun, jetzt gucke ich gar keine Serie.

100208_trick_main

©東宝

Wir gucken nicht einmal viele Real-Serien (Dramas), zumindest nichts Aktuelles: 結婚できない男 (Kekkon dekinai Otoko), 鹿男あをによし (Shika-Otoko Awoniyoshi), タイガー&ドラゴン (Tiger & Dragon) und TRICK fallen mir nach etwas Nachdenken ein. Die leihen wir aus der Videothek aus oder sehen sie online. Einen Fernseher haben wir gar nicht erst, und auch deswegen kenne ich nur wenige der “Berühmtheiten”, vor denen es in Japan nur so strotzt. Wenn wir dann manchmal bei den Schwiegereltern fernsehen muss ich aber nur meine Schwiegermutter fragen, wer eine bestimmte Person ist. Sie kennt jeden!

Japanische Musik höre ich selbst eher wenig, wenn dann Asian Kung-Fu Generation, Radwimps, Art-School oder フジファブリック (Fuji Fabric). Mein Mann und ich, wir hören nicht unbedingt die neueste japanische Musik, einfach weil wir uns nicht mehr damit beschäftigen. Es gibt natürlich Lieder, die ich für Karaoke kenne, und über’s Radio bekomme ich auch noch immer ein wenig mit, aber letztendlich interessiert es mich nicht so sehr.

Das ist es nämlich: Das Interesse. Ich bin nicht interessiert. Ich denke, dass das etwas damit zu tun hat, dass diese Dinge, an denen ich in Deutschland ja durchaus interessiert war, nichts Besonderes mehr sind. Manga, Anime, Serien und Musik kann ich mir unglaublich günstig ausleihen. Kaufen ist in Japan wieder eine andere Sache, DVDs sind teuer, aber ich könnte mit einer einfachen Suche bei Amazon alles bestellen, wonach mein Herz vor fünf oder sechs Jahren begehrte.

Diesen Pudding à la Mode habe ich sicher auch nicht nur wegen des Geschmacks gekauft. 😉

Aus der Ferne sieht Europa jetzt wieder unglaublich attraktiv aus. Europa, vor allem Nordeuropa, hat für uns einen ganz besonderen Charme. Die Gebäude sind schöner*, das Leben entspannter und wenn man Glück hat und weit genug in den Norden kommt, kann man vielleicht sogar Polarlichter sehen. Polarlichter zu sehen steht auf der Liste der Dinge, die ich unbedingt machen möchte.

Außerdem sind die Menschen dort scheinbar glücklicher, Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland und Island sind alle in der Top Ten der glücklichsten Länder, laut dem World Happiness Report. Japan ist auf dem 43. Platz. Leute, die das verwundert: Hände hoch!

* Das klingt vielleicht doof, aber lauft doch mal durch Tokyo (außer Marunouichi und Ginza, die zählen nicht) und schaut, wie viele wirklich hübsche Bauwerke es gibt.

Mein Mann steht total auf England, er atmet “Top Gear“, lernt ausdrücklich British English und hat sein Portmonee hauptsächlich ausgewählt, weil es “Made in England” ist. Haut eine britische Flagge auf irgendetwas und mein Mann wird es kaufen. Wenn ihr mich haben wollt: Schwedische, norwegische und finnische Flaggen.

So wie es damals mit Japan war eben. 😉

Der Mann. Meiner.

DSC062271Eigentlich ist dieser Eintrag nur ein fauler Vorwand um auch allen Leuten, die mich zwar nicht bei Facebook aber bei WordPress auf dem Schirm haben, dieses tolle Foto zu zeigen, das Robert letzten Samstag in Asakusa von meinem Mann und mir gemacht hat. Für gewöhnlich gibt es von uns beiden nicht viele Fotos.

Meinen Mann kenne ich seit bald fünf Jahren, in zwei Monaten sind wir auch schon so lange zusammen. Das ging damals recht schnell, innerhalb von zwei Wochen oder weniger.

Damals hat er Architektur und Baukonstruktion studiert, im ersten oder zweiten Studienjahr*, geraucht, hatte eine Zahnspange und war unglaublich dünn. Auch wenn er auf Fotos dank seiner schlechten Körperhaltung immer kleiner aussieht, ist er mit 180cm Körpergröße kein Winzling. Damals verteilten sich auf diese 180cm nur 60kg. Außerdem wirkte er viel düsterer, als könnte er nicht lachen.

* Hier teilt das irgendwie niemand nach Semester auf.

Inzwischen arbeitet er bei einer sehr großen Firma, was aber leider auch kein Garant für gute Arbeitsbedingungen ist, und wiegt fast zehn Kilogramm mehr. Er raucht nicht mehr, damit hat er in der Studienzeit aufgehört, und die Zahnspange ist auch draußen.Und zumindest lächeln kann er, wie ihr auf dem Foto seht, recht gut. 😉