Ausländer über andere Ausländer.

Immigranten an sich sind eine unwahrscheinlich heterogene Gruppe. Nicht nur kulturell gibt es große Unterschiede, sondern auch darin, wie man in Japan lebt. Ich als Deutsche aus gutem Elternhaus, arbeitend mit arbeitendem Mann aus gutem Elternhaus mit dem wir keine Probleme haben, lebend in einem netten Ort in einer netten Wohnung, bin wahrscheinlich sehr privilegiert. Aber denke ich bei anderen Ausländern differenziert über kulturelle und sozioökonomische Hintergründe?

Nein. Ich denke die meisten Leute haben entweder ihre ganz eigenen oder von den Japanern übernommenen Pauschalurteile über Ausländer oder spezifische Ausländergruppen. Und jeder hat seine ganz eigenen Gründe, warum er bestimmte Ausländer nicht mag. Ich auch.

Alle Ausländer sind im Immigranten

Für Japaner ist es oft vollkommen unverständlich, dass jemand nicht-Japanisches in Japan geboren sein könnte. Es ist einfach nicht die Regel, dass ein John Smith in Japan aufgewachsen ist. Er kann sich also auf ein Leben voller “Woher kommst du? Nein, ich meine, wo bist du geboren?”* vorbereiten. Das Problem: Ich gehe auch davon aus, dass zumindest Nicht-Asiaten nicht in Japan geboren sind. Das kann durchaus peinlich sein, wenn man die unter Immigranten “beliebte” Frage “Und, wie lange wohnst du schon in Japan?” stellt und ein “Schon immer…” zurückbekommt.

* Ein Spiel namens “Rate die Ethnizität”, das sicher auch viele Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland oder anderswo kennen.

Die ausländischen Immigranten sprechen kein Japanisch

Sobald ich vor neuen Leuten den Mund aufmache, höre ich “日本語お上手ですね” (Nihongo o-jôzu desu ne; Ihr Japanisch ist aber gut). Das ist ein Kompliment das sicher nicht nur mich ärgert: Natürlich ist mein Nihongo O-Jôzu, was denken Sie, wie ich an diesen Job gekommen bin?**

Und dann bin ich total fasziniert, wenn auf dem Bahnsteig in Roppongi ein allem Anscheins nach zentralasiatischer Mann im feinsten, akzentfreisten Japanisch mit seiner Kollegin ablästert. Oder das blonde Mädchen in der Bahn einen japanischen Roman liest. Skandal! Es gibt einfach diese große Gruppe von Ausländern, die meist kein Japanisch sprechen: Expats*** und Englischlehrer. Als Englischlehrer sind die meisten anderen Ausländer, die man kennenlernt, auch Englischlehrer. Und aus irgendeinem Grund sprechen vor allem männliche Englischlehrer oft kein Japanisch. Das bleibt natürlich im Hirn hängen. Dabei gibt es so viele Ausländer mit hervorrangendem Japanisch und ich sollte nicht jedes Mal einen halben Herzinfarkt bekommen wenn jemand gutes Japanisch oder besseres Japanisch als ich spricht. Was ich kann, können andere schon lange. 😉

** Ich muss zugeben, dass ich mich über das auch nicht ganz korrekte “日本育ちですか?” (Nihon-sodachi desu ka?; Sind Sie in Japan aufgewachsen?) freue. Auch wenn man Japanisch sprechen kann ohne in Japan aufgewachsen zu sein.

*** Expats sind für mich nur Leute, die für eine begrenzte Zeit von ihren Firmen ins Ausland geschickt wurden. Alle anderen sind Immigranten. Expats haben oft keine Zeit um, und ziehen kaum einen Nutzen daraus, Japanisch zu lernen.

Amerikaner sind laut und beschmutzen mein Image

Als Deutsche ohne Zettel mit Nationalitätsangabe auf der Stirn bin ich ein Teil der “Weiße Ausländer”-Gruppe. Der durchschnittliche Japaner kann genauso wenig zwischen Amerikanern und Europäern unterscheiden wie der durchschnittliche Deutsche zwischen — allen Asiaten****. Das heißt, dass ich vermute, dass jeder Verstoß gegen die sozialen Regeln Japans durch irgendeinen Weißen schlecht für das Image aller Ausländer ist. Und es gibt ein Land, von dessen Männern ich in der Hinsicht ein unglaublich schlechtes Bild habe: Amerika.

Amerikaner, die meinen sie stünden über den Regeln, weil sie niemand zurechtweist wenn sie sie brechen. Amerikaner, die sich in der Bahn lautstark unterhalten und fünf Plätze mit ihrem Gepäck besetzen. Amerikaner, die irgendwelche dämlichen Kommentare über japanische Männer machen müssen, weil sie sich in ihrer Männlichkeit nicht sicher genug sind. Amerikaner die betrunken und aggressiv durch die Straßen wandeln.

Eigentlich können mir irgendwelche dämlichen Amerikaner voll Schnurz sein, aber ich werde unverhältnismäßig wütend. “Wegen euch denken Japaner, dass Ausländer keine Manieren haben!” möchte ich ihnen entgegenschreien. Worauf sie wahrscheinlich nur mit “Dude, that like so not my problem” antworten würden. Und natürlich weiß ich, dass die meisten Amerikaner ganz toll sind, ich arbeite mit zwei wunderbaren Herren zusammen, aber die machen mich ja nicht aggressiv. Aber vielleicht unterschätze ich auch die Japaner und bin in in der “Weiße Frauen“-Gruppe. 😉

**** Habe ich euch jemals erzählt, dass ich allen Ernstes in Deutschland gefragt wurde, ob ich Asiatisch spräche? Das ist noch viel trauriger als die Annahme, dass Englisch die deutsche Amtssprache wäre. Das wollte eine Japanerin bestätigt haben.

Es bleibt zu sagen: Wahrscheinlich sind Ausländer Ausländern gegenüber viel gemeiner als Japaner. Vielleicht, weil sie mit jedem “schlechten” Ausländer das Gefühl haben, dass er ihr persönliches Image ruiniert. Vielleicht, weil sie “der bessere Ausländer” sein möchten. Vielleicht sogar, weil nicht alle Ausländer alle Ausländer mögen müssen.

Ich arbeite daran, Menschen als komplexe Wesen zu sehen, die von Dingen beeinflusst sind, die ich nicht sehen oder wissen kann – das reicht meist schon, um ein bisschen runter zu kommen. “Vielleicht ist sie gar keine dumme Kuh sondern hat einfach heute Morgen keine Zeit für ihren Kaffee gehabt”, “Wahrscheinlich arbeitet sie zu viel um Zeit zum Japanischlernen zu haben”, “Vielleicht ist er als Kind von der Waschmaschine gefallen. Mit dem Kopf zuerst.” 🙂 Wir Immigranten müssen uns schließlich nicht auch noch untereinander gegenseitig schlecht machen.

Aber wirklich, diese Amerikaner…

Ausländer United: Bin ich die einzige, die solche Gefühle mit sich herumschleppt (bitte nicht)? Wie erlebt ihr andere Ausländer?

Update in Sachen Arbeit und Zukunft.

Im Zweifelsfall kann man mit Kirschblüten jeden Eintrag illustrieren.

Im Zweifelsfall kann man mit Kirschblüten jeden Eintrag illustrieren.

Weil im Moment nicht wirklich viel los ist, dachte ich mir, dass ich euch mal auf den neusten Stand in Sachen Arbeit und Zukunft bringe.

Ihr erinnert euch vielleicht, ich bin Assistentin in der IT-Abteilung in einem Büro mit einer wunderbaren Aussicht über die Stadt. 🙂 Letzte Woche bekam ich meinen dritten Vertrag. Es sind leider alles Kurzzeitverträge über zwei Monate, aber ich glaube meinem direkten Chef, wenn er sagt, dass sie einfach so lange verlängern werden, bis ich die Schnauze voll habe. Genau so lange habe ich vor, dort zu bleiben.

Meine Schwiegermutter war auch einige Zeit bei einer Zeitarbeitsfirma und hat absichtlich immer wieder die Firma gewechselt um neue Erfahrungen zu sammeln, ich bleibe ganz gern dort, wo ich bin. Nicht nur, weil ich Vorstellungsgespräche hasse, auch, weil es mir derzeit ganz gut in den Kram passt.

Es wird langsam aber sicher etwas weniger langweilig, das Team merkt, dass ich da bin um ihnen nervige Arbeiten abzunehmen: Bestellungen aufgeben, Erstattung von Beträgen beantragen, Reisen buchen, über SAP-Produkte aufregen… Selbst wenn der Tag mir manchmal sehr lang vorkommt, zurück in den Kindergarten möchte ich nicht.

Dafür haben wir (schon vor einiger Zeit) unseren Kinderplan konkretisiert, und mein Mann arbeitet mit Vollkraft daran in den öffentlichen Dienst zu wechseln um vielleicht sogar ein klitzekleines Bisschen Vaterschaftsurlaub abzubekommen. Um das zu erreichen ist er ziemlich am Büffeln: Nächste Woche ist der erste Teil des 2級建築士 (Ni-kyû Kenchiku-shi; eine Qualifikation für Architekten und Bauingenieure) dran, im September folgt der zweite Teil und die Prüfung für den öffentlichen Dienst.

Natürlich weiß ich, dass er das alles für unsere Familie tut und unterstütze ihn wo ich kann, aber manchmal wird es ziemlich einsam. 🙁 Deswegen werde ich versuchen wieder mehr zu Meetups zu gehen. Falls einer von euch Tokyotern irgendwelche Empfehlungen hat – gern her damit.

Projekt Haus ist liegt leider auf Eis. Nach erneutem Durchrechnen können wir es uns nicht leisten das jetzige Haus der Schwiegereltern abzureißen und ein neues draufzusetzen, auch weil es sich bei dem Grundstück um Pachtland handelt. Sobald mein Mann mit seinen ganzen Prüfungen durch ist, werden wir uns also verschiedene Umbau-Firmen anschauen, die uns dann zeigen dürfen, was man aus dem Haus der Schwiegereltern noch herausbekommt. Wenn das Kind dann in zwei Jahren da ist, wollen wir eigentlich nicht mehr zur Miete wohnen.

Und so schaut’s aus.

Über Schuluniformen.

Auch wenn ich außerhalb von Hardcore Harry-Potter-Fans kaum einmal jemanden gesehen habe, der britische (oder australische) Schuluniformen toll findet, hat die japanische Schuluniform viele Fans.

Manche Kinder beginnen Uniformen zu tragen, bevor sie ihren eigenen Namen schreiben können – im Kindergarten. Die Uniform ist dort vor allem ein Zeichen von Status: Fast ausschließlich private und damit teurere Kindergärten haben Uniformen. Dabei gibt es große Unterschiede: Mini-Schuluniformen mit Hose/Rock und Blazer, einfache Überjacken, Schürzen oder einfach nur besonders hübsche Hüte. Alle Kindergärten haben natürlich Mützen, nicht nur um vor der aggressiven japanischen Sonne zu schützen sondern auch weil es den Erzieherinnen das zählen der Rasselbande ungemein erleichtert. Die ganz hübschen Uniformen werden, sobald die Kinder im Kindergarten angekommen sind, meist gegen simple Sportuniformen ausgetauscht. In denen kann man sich besser bewegen und es ist nicht so schlimm, wenn sie dreckig werden.

Auch viele Grundschulkinder haben, abgesehen von einer Mütze und den recht einheitlichen japanischen Schulranzen, keine Uniform. Wie auch im Kindergarten geht hier die Trennung über die Frage, ob die Schule öffentlich oder privat ist.

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Sailor Fuku auf dem Skytree

Ab der Oberschule, also ab der siebten Klasse, tragen fast* alle Schüler in Japan jeden Tag Uniform. In der Universität dürfen dann die meisten wieder tragen was sie wollen – was Japaner auch schamlos ausnutzen. 😉 Vielleicht sind Japaner ja nur so stylisch, um den Uniformzwang auszugleichen? Wer weiß.

* Die großen Ausnahmen von denen ich weiß sind internationale Schulen.

Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Schuluniformtypen, die weit verbreitet sind: Sailor Fuku (セーラー服)  für die Mädchen und Gakuran (学ラン) für die Jungen; und die Uniform mit Blazer. Sailor Fuku und Gakuran gibt es eigentlich nur im Set – außer bei meinem Mann, da durften die Mädchen ab der 10. Klasse Blazer tragen, die Jungs waren aber in ihren Gakuran gefangen. Mein Mann sieht im Gakuran schrecklich aus. 😛

Die Uniformen mit Blazer sind aus europäischer Sicht etwas langweilig, es sind halt Röcke oder Hosen mit Hemd und Blazer.

Schuluniformen bekommt man leider nicht einfach so im Paket mit den restlichen Schulkosten – die kosten noch einmal richtig Geld. Viele Schulen haben ihre ganz eigenen Uniformen, mit festgelegten Farben, Schnitten und vielleicht irgendwo einem Logo. Eine Schule in meiner Nähe hat die schönen Farben Grün und Braun. Schwarze Socken dürfen die Schülerinnen, es ist eine Mädchenschule, dort auch nicht tragen, die langen müssen Braun sein. Ich habe die Schülerinnen dieser Mädchenschule auch noch nie mit gekürzten Röcken gesehen, die Regeln sind scheinbar recht streng. Solche Schnarchnasen. 😉 Kommen aber wahrscheinlich auf eine gute Uni.

ビリギャル (Birigyaru) verkörpert, wie eine schlechte Schülerin aussieht. Wenn nur alle schlechte Schülerinnen 有村架純 (Arimura Kasumi) wären...

ビリギャル (Birigyaru) verkörpert, wie eine schlechte Schülerin aussieht. Wenn nur alle schlechte Schülerinnen 有村架純 (Arimura Kasumi) wären… ©東宝

Die “Qualität” der Schule erkennt man nämlich häufig daran, wie korrekt die Schüler angezogen sind. Kurze Röcke, gefärbte Haare**, tief im Schritt hängende Hosen? Wahrscheinlich Schule XYZ, auf die eh nur Idioten gehen. Gute Schüler tragen nämlich kein Make-Up, haben mindestens knielange Röcke und die Jungs tragen ihren Gürtel schön auf der Taille. Dem rebellischen Teenager in mir stellen sich die Nackenhaare auf.

** Was gefärbte Haare mit Lernfähigkeit zu tun haben, muss mir auch noch jemand erklären.

Zumindest während meiner Schulzeit wurde viel diskutiert, ob man auch in Deutschland Schuluniformen einführen sollte, um Mobbing vorzubeugen. Mobbing gibt es natürlich auch in Japan- Kinder und Jugendliche werden immer etwas finden, was ihnen am Gegenüber nicht passt, ob es nun die Klamotten sind oder der Haarschnitt. Schuluniformen helfen da nicht wirklich weiter.

Wenn ich Freunde frage, was sie an ihrer Uniform mochten, ist die Antwort meist: “Ich musste mir nicht jeden Morgen überlegen, was ich anziehen soll.”

Na immerhin etwas. Niedlich sind sie trotzdem. 🙂

Alte Bekannte.

SymbolfotoMorgens kurz vor neun stehe ich an einer Ampel in Roppongi. Die Luft ist angenehm kühl, nachts hat es endlich geregnet. Mit den teuren ausländischen Autos und den Taxen, die das Straßenbild hier dominieren, fährt ein Fahrradfahrer gemächlich an mir vorbei. Er guckt mich an, nickt mir zu und ist schon wieder weg.

Ich schaue auf Facebook nach, wo ein Bekannter mit dem ich seit Jahren kein Wort mehr gewechselt habe, jetzt lebt. Über Umwege* stelle ich fest, dass er seit einigen Monaten nicht mehr in Japan ist. Er kann es also nicht gewesen sein.

* Oder auch “Internetstalking”.

Ich habe nicht aus einer reinen Laune heraus vor fast sieben Jahren beschlossen nach Japan zu kommen. Die Wurzeln dieses Vorhabens liegen viele Jahre zurück, zu Pokemon und Chobits, und vor allem: Visual Kei, dieser Art Musik, mit der ich heute gar nichts mehr anfangen kann. In der Hinsicht bin ich wahrscheinlich wie viele andere junge Erwachsene – die Vorlieben, die wir als Teenager hatten, verwirren uns heute – nur dass mein Leben japanisch geprägt war. Zwischen meinem 13. und 18. Lebensjahr habe ich quasi Japan geatmet, ohne Rücksicht auf die Nerven meiner Umwelt.

In der Schule war ich von der siebten Klasse bis zum Anfang der Sek II ein ziemlicher Außenseiter. Aber immerhin einer, der über das Internet haufenweise Freunde fand, ob aus Berlin oder anderswo. Meine besten Freunde zu der Zeit lernte ich über ein Internetforum kennen. Als sich meine Japanobsession in Richtung Gothic Lolita wandte, traf ich auf Animexx Mädchen mit denselben Interessen und lernte über sie noch viel mehr Leute kennen. In der Schule hatte ich neben Julia (die mir Jahre später mein Hochzeitskleid nähte) und Melissa (von Breeding Unicorns) noch weitere Freunde, die fast genauso in Japan vernarrt waren wie ich.

Man läge also nicht komplett daneben, wenn man mein Umfeld mit “eine grosse, japanfixierte Blase” beschreiben würde. Mit den meisten Leuten aus dieser Zeit habe ich keinen Kontakt mehr.

Aber dass mir jemand plötzlich in Tokyo über den Weg läuft ist nicht unglaublich unwahrscheinlich. Die meisten meiner Freunde von damals waren schon einmal in Japan, ob im Urlaub oder für längere Zeit. Tatsächlich traf ich 2008 oder 2009 zwei Bekannte aus Berlin auf dem Bahnsteig in Harajuku.

Letztendlich ist mein Bekannter, dem der Fahrradfahrer so ähnlich sah, auf einem anderen Kontinent. Aber ich habe mich mal wieder an all das erinnert, was zu der Zeit passierte, als ich nur gedanklich ständig in Japan war. Wie viel sich verändert hat, mit wie vielen Leuten ich keinen Kontakt mehr habe. Mir macht es eigentlich nur deutlich, wie wichtig die sind, die konstant bleiben. Die, die man nicht oft sieht, und mit denen man nicht ständig quatscht, mit denen man aber ohne nachzudenken Pferde stehlen würde. Danke, ihr wisst wer ihr seid. An euch erinnere ich mich auch ohne dass ein Doppelgänger von euch durch Tokyo läuft. 🙂