Japanische Regeln: Schuhe aus!

IMG_2327Weil ich immer mal im Internet Listen á la “Dinge, die ihr in Japan nie machen dürft, weil ihr sonst mit einem Samurai-Schwert in zwei geteilt werdet!” sehe, dachte ich, dass ich selbst mal eine kleine Serie zum Thema verfasse. In dieser möchte ich aber miteinbeziehen, wie schwerwiegend ein “Regelverstoß” ist. Denn ganz im Ernst, Japaner verlangen von nicht-Japanern nicht, dass sie wissen, wie man sich in jeder Situation richtig verhält.

Die größte, wichtigste und universellste Regel ist aber: Schuhe aus. Jede Wohnung, die ich bisher in Japan gesehen habe, hat so eine Schwelle am Eingang. Oft findet man ähnliches auch in 居酒屋 (Izakaya; japanischen Kneipen) oder traditionellen Restaurants. Auch in Tempeln gilt: Wo Stufe da Schuhe aus!

Der Grund ist natürlich ganz simpel: Straßenschuhe sind dreckig. Es ist also eher ein praktische denn eine kulturelle Regel. Japaner wollen keinen Dreck im Haus, weswegen ihr immer eure Schuhe ausziehen solltet. Außer jemand sagt, dass ihr sie anbehalten könnt und selbst da solltet ihr zumindest der Form halber ein- bis zweimal protestieren.

Wenn ihr euch das Bild oben anschaut fällt auch sicher, neben der Tatsache, dass wir zu viele Schuhe haben der Eingang zu eng ist, auf, dass alle Schuhe in Weggehrichtung stehen. Das ist Absicht. Macht man so. Müsst ihr nicht machen.

Oh, und für die unglaublich kulturelle versierte Sicht* eines echten Japaners:

Mein Mann: “Nur Tote tragen im Haus Schuhe.”

Stimmt natürlich.

* Mein Mann kann einem in 9 von 10 Fällen nicht erklären, warum Japaner machen, was sie so machen.

Gibt es in Deutschland eigentlich Haushalte, in denen man die Straßenschuhe anbehält? Wo? Warum?

Heute kein Eintrag. 

Eigentlich hatte ich mich psychisch schon darauf vorbereitet einen Jubel-Eintrag zu schreiben.

JA, DIE JAPANISCHEN FRAUEN BLEIBEN WELTMEISTER!!

Blieben sie dann aber nicht. 5-2 verloren gegen die USA. Denen gönne ich es natürlich, dennoch bleibt mir, in meinem Nationalmannschaftstrikot*, nichts anderes übrig als ein wenig Trübsal zu blasen.
* zugegebenermaßen von der Männer-Mannschaft

Außerdem war ich am Wochenende zu beschäftigt um Einträge zu schreiben, da macht sich so ein verlorener Weltmeistertitel als Ausrede ganz gut. 😉

Wir hören am Mittwoch wieder voneinander. 🙂

Einpacken, bitte.

IMG_2157Für englische und deutsche Bücher habe ich zwar mein Kindle, aber da man nicht zwei Accounts mit einem Gerät koppeln kann, kaufe ich japanische Bücher noch immer im Laden. 文庫本 (Bunkobon; Taschenbuchversionen von meist Romanen in einer einheitlichen Größe) kosten viel weniger als die englischen Bücher, die in Japan verkauft werden. Außerdem gibt es fast überall Buchläden, wir haben zwei im Bahnhof.

Wenn man dann sein Buch, aus mysteriösen Gründen oft nach Verlag geordnet, gefunden hat, wird man an der Kasse gefragt: “カバーお付けしますか?” (Kabâ (cover) o-tsuke shimasu ka?; Soll ich es einschlagen?)

Ich fragte mich letztens, warum ich, wie ein Großteil der japanischen Käufer, eigentlich immer Ja sage. In Deutschland habe ich höchstens Schulbücher eingeschlagen.

Für’s Einschlagen sprechen eigentlich nur drei Dinge. Erstens fühlen sich viele Leute beobachtet, wenn sie in der Öffentlichkeit ein Buch lesen. Wer weiß, was die Leute denken, wenn man mit “Fifty Shades of Grey” in der Bahn sitzt. Im Internet las ich auch, dass einige Leute einfach finden, dass die Buchauswahl zu persönlich ist um sie mit der ganzen Welt zu teilen.

Zweitens haben japanische Bücher Umschläge. Wir haben also das Buch an sich, mit einem einfarbigen Cover, dann den Umschlag mit dem farbigen Cover und dann oft nochmal ein Bändchen mit Gründen, warum das Buch gekauft werden muss (“Schon über 100,000 Mal verkauft!” oder “Wird demnächst als Fernsehserie adaptiert” z.B.). Mit diesen Umschlägen zu hantieren ist nervig, die Umschläge vom Buchladen halten alles zusammen, weil sie auf einer Seite quasi fest verankert sind. Das Buch flutscht nicht einfach so raus.

Der dritte und wahrscheinlich größte Grund ist, dass in Japan unglaublich viele Bücher weiterverkauft werden. Gebrauchtbuchhandlungen gibt es überall, die größte Kette ist Book-Off, und man darf sich das nicht wie ein kleines Antiquariat vorstellen – die Teile sind riesig und haben eine große Auswahl. Außerdem verkaufen sie eher keine historisch wertvollen Bücher sondern Manga für 100Yen (ca. 73 Cent). Beim Verkauf ist der Zustand natürlich wichtig. Wenn das Buch noch gut aussieht, bekommt man mehr Geld dafür.

Was meint ihr? Fühlt ihr euch manchmal so beobachtet, dass ihr eure Bücher lieber einschlagen lassen würdet? 😉

Ausländer über andere Ausländer.

Immigranten an sich sind eine unwahrscheinlich heterogene Gruppe. Nicht nur kulturell gibt es große Unterschiede, sondern auch darin, wie man in Japan lebt. Ich als Deutsche aus gutem Elternhaus, arbeitend mit arbeitendem Mann aus gutem Elternhaus mit dem wir keine Probleme haben, lebend in einem netten Ort in einer netten Wohnung, bin wahrscheinlich sehr privilegiert. Aber denke ich bei anderen Ausländern differenziert über kulturelle und sozioökonomische Hintergründe?

Nein. Ich denke die meisten Leute haben entweder ihre ganz eigenen oder von den Japanern übernommenen Pauschalurteile über Ausländer oder spezifische Ausländergruppen. Und jeder hat seine ganz eigenen Gründe, warum er bestimmte Ausländer nicht mag. Ich auch.

Alle Ausländer sind im Immigranten

Für Japaner ist es oft vollkommen unverständlich, dass jemand nicht-Japanisches in Japan geboren sein könnte. Es ist einfach nicht die Regel, dass ein John Smith in Japan aufgewachsen ist. Er kann sich also auf ein Leben voller “Woher kommst du? Nein, ich meine, wo bist du geboren?”* vorbereiten. Das Problem: Ich gehe auch davon aus, dass zumindest Nicht-Asiaten nicht in Japan geboren sind. Das kann durchaus peinlich sein, wenn man die unter Immigranten “beliebte” Frage “Und, wie lange wohnst du schon in Japan?” stellt und ein “Schon immer…” zurückbekommt.

* Ein Spiel namens “Rate die Ethnizität”, das sicher auch viele Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland oder anderswo kennen.

Die ausländischen Immigranten sprechen kein Japanisch

Sobald ich vor neuen Leuten den Mund aufmache, höre ich “日本語お上手ですね” (Nihongo o-jôzu desu ne; Ihr Japanisch ist aber gut). Das ist ein Kompliment das sicher nicht nur mich ärgert: Natürlich ist mein Nihongo O-Jôzu, was denken Sie, wie ich an diesen Job gekommen bin?**

Und dann bin ich total fasziniert, wenn auf dem Bahnsteig in Roppongi ein allem Anscheins nach zentralasiatischer Mann im feinsten, akzentfreisten Japanisch mit seiner Kollegin ablästert. Oder das blonde Mädchen in der Bahn einen japanischen Roman liest. Skandal! Es gibt einfach diese große Gruppe von Ausländern, die meist kein Japanisch sprechen: Expats*** und Englischlehrer. Als Englischlehrer sind die meisten anderen Ausländer, die man kennenlernt, auch Englischlehrer. Und aus irgendeinem Grund sprechen vor allem männliche Englischlehrer oft kein Japanisch. Das bleibt natürlich im Hirn hängen. Dabei gibt es so viele Ausländer mit hervorrangendem Japanisch und ich sollte nicht jedes Mal einen halben Herzinfarkt bekommen wenn jemand gutes Japanisch oder besseres Japanisch als ich spricht. Was ich kann, können andere schon lange. 😉

** Ich muss zugeben, dass ich mich über das auch nicht ganz korrekte “日本育ちですか?” (Nihon-sodachi desu ka?; Sind Sie in Japan aufgewachsen?) freue. Auch wenn man Japanisch sprechen kann ohne in Japan aufgewachsen zu sein.

*** Expats sind für mich nur Leute, die für eine begrenzte Zeit von ihren Firmen ins Ausland geschickt wurden. Alle anderen sind Immigranten. Expats haben oft keine Zeit um, und ziehen kaum einen Nutzen daraus, Japanisch zu lernen.

Amerikaner sind laut und beschmutzen mein Image

Als Deutsche ohne Zettel mit Nationalitätsangabe auf der Stirn bin ich ein Teil der “Weiße Ausländer”-Gruppe. Der durchschnittliche Japaner kann genauso wenig zwischen Amerikanern und Europäern unterscheiden wie der durchschnittliche Deutsche zwischen — allen Asiaten****. Das heißt, dass ich vermute, dass jeder Verstoß gegen die sozialen Regeln Japans durch irgendeinen Weißen schlecht für das Image aller Ausländer ist. Und es gibt ein Land, von dessen Männern ich in der Hinsicht ein unglaublich schlechtes Bild habe: Amerika.

Amerikaner, die meinen sie stünden über den Regeln, weil sie niemand zurechtweist wenn sie sie brechen. Amerikaner, die sich in der Bahn lautstark unterhalten und fünf Plätze mit ihrem Gepäck besetzen. Amerikaner, die irgendwelche dämlichen Kommentare über japanische Männer machen müssen, weil sie sich in ihrer Männlichkeit nicht sicher genug sind. Amerikaner die betrunken und aggressiv durch die Straßen wandeln.

Eigentlich können mir irgendwelche dämlichen Amerikaner voll Schnurz sein, aber ich werde unverhältnismäßig wütend. “Wegen euch denken Japaner, dass Ausländer keine Manieren haben!” möchte ich ihnen entgegenschreien. Worauf sie wahrscheinlich nur mit “Dude, that like so not my problem” antworten würden. Und natürlich weiß ich, dass die meisten Amerikaner ganz toll sind, ich arbeite mit zwei wunderbaren Herren zusammen, aber die machen mich ja nicht aggressiv. Aber vielleicht unterschätze ich auch die Japaner und bin in in der “Weiße Frauen“-Gruppe. 😉

**** Habe ich euch jemals erzählt, dass ich allen Ernstes in Deutschland gefragt wurde, ob ich Asiatisch spräche? Das ist noch viel trauriger als die Annahme, dass Englisch die deutsche Amtssprache wäre. Das wollte eine Japanerin bestätigt haben.

Es bleibt zu sagen: Wahrscheinlich sind Ausländer Ausländern gegenüber viel gemeiner als Japaner. Vielleicht, weil sie mit jedem “schlechten” Ausländer das Gefühl haben, dass er ihr persönliches Image ruiniert. Vielleicht, weil sie “der bessere Ausländer” sein möchten. Vielleicht sogar, weil nicht alle Ausländer alle Ausländer mögen müssen.

Ich arbeite daran, Menschen als komplexe Wesen zu sehen, die von Dingen beeinflusst sind, die ich nicht sehen oder wissen kann – das reicht meist schon, um ein bisschen runter zu kommen. “Vielleicht ist sie gar keine dumme Kuh sondern hat einfach heute Morgen keine Zeit für ihren Kaffee gehabt”, “Wahrscheinlich arbeitet sie zu viel um Zeit zum Japanischlernen zu haben”, “Vielleicht ist er als Kind von der Waschmaschine gefallen. Mit dem Kopf zuerst.” 🙂 Wir Immigranten müssen uns schließlich nicht auch noch untereinander gegenseitig schlecht machen.

Aber wirklich, diese Amerikaner…

Ausländer United: Bin ich die einzige, die solche Gefühle mit sich herumschleppt (bitte nicht)? Wie erlebt ihr andere Ausländer?