Alle Jahre wieder: Gesundheitsuntersuchung.

IMG_2502Dank Artikel 66 des japanischen Arbeitsschutzgesetzes (労働安全衛生法 Rôdô Anzen Eisei-Hô) muss sich jeder Arbeitnehmer in Japan einmal im Jahr einer Gesundheitsuntersuchung (健康診断 Kenkô-Shindan) unterziehen.

Die Kosten trägt zwar die Firma, aber wenn man auf Stundenbasis arbeitet wird einem oft die Zeit nicht angerechnet. Außerdem bekommt die Firma sämtliche Ergebnisse – aus deutscher Sicht etwas fragwürdig.

Als Begründung für die Untersuchung wird angegeben, dass durch sie vorbeugend gehandelt werden kann – Probleme werden nicht erst ersichtlich, wenn es so schlimm ist, dass man ins Krankenhaus muss. An sich natürlich lobenswert, aber das gleich gesetzlich zu verankern… Nun ja.

Ich habe die Untersuchung bis jetzt bei zwei Firmen und drei Ärzten mitgemacht, es war immer etwas anders. Ab 35 Jahren ändert sich der Inhalt noch einmal.

Zuerst bekommt man, wie auch bei so gut wie jedem anderen Arzt, ein Blatt auf dem man seinen Lebensstil beschreiben soll, und angibt welche Krankheiten man schon einmal hatte. “Ich esse schneller als andere Menschen”, “Im letzten Jahr hat sich mein Gewicht um mehr als 3kg verändert”, “Ich esse mit jeder Mahlzeit Gemüse”, usw. Die wichtigste Frage ist natürlich “Wenn Sie Hinweise zum gesünderen Leben bekämen, würden Sie sie annehmen?” 😉

IMG_2501Meine bisher umfangreichste Untersuchung hatte ich gestern: Urinprobe, Körpergröße und Gewicht, Blutprobe, Blutdruck, Sehstärke, Hörvermögen, Elektrokardiogramm, Bauchumfang und natürlich Röntgen. Egal wie rudimentär die Untersuchung ist, ob Blut abgenommen wird oder nicht, die Lunge wird immer geröntgt.

Im Jahr 2013 wurden in Japan etwa 20.500 Tuberkulose-Neuerkrankungen registriert, das sind 16,1 pro 100.000 Einwohner. In Deutschland waren es im selben Jahr 5,3 pro 100.000 Einwohner. Die Zahlen in Japan scheinen Grund genug zu sein, obwohl der Doktor-Schwiegeronkel sagt, dass die Röntgengeräte die in diesen Kliniken benutzt werden so schwach sind, dass es oft erst dann diagnostiziert wird, wenn die Löcher in der Lunge recht groß sind. Die Bleiweste um seine Fortpflanzungsorgane vor der Strahlung zu schützen bekommt man übrigens nur auf Nachfrage.

Einige Wochen nach der Untersuchung bekommt man einen Bogen mit den Testergebnissen, mal mehr und mal weniger aufschlussreich. Ich persönlich finde die Untersuchung eher zeitverschwendend, auch weil ich immer gute Ergebnisse habe. Vielleicht hilft es Leuten, die  einen ungesunden Lebensstil haben, das mal etwas kritischer zu betrachten.

Ich bin auf jeden Fall froh, es hinter mir zu haben. Bis nächstes Jahr.

Warum sind Japaner… ?

スクリーンショット 0027-07-19 8.36.24Die Google Auto-Vervollständigung weiß, was die Menschen bewegt. Also dachte ich mir, dass ich ein paar Fragen die die Nation nicht ruhig schlafen lassen, beantworte.

… so komisch?

Japaner sind “so komisch”, weil das alles ist, was im Ausland ankommt. Jeder kennt die Geschichte von den Automaten mit benutzter Unterwäsche. News Flash: Benutzte Unterwäsche wird auch in Deutschland verkauft. Japaner lieben einfach nur ihre Automaten. Ich selbst habe diese Maschinen übrigens noch nie gesehen und von Fotos kann man nur schlussfolgern, dass sie in Sex Shops stehen.

Nur wenige Filme, die es nach Deutschland schaffen, sind japanischer Mainstream – sie sind oft entweder komplett bizarr oder Horrorfilme. Das alles führt übrigens auch dazu, dass die japanischen Schauspielfähigkeiten manchmal etwas unterschätzt werden – die guten Filme laufen eben nicht in Deutschland.

Es gibt in Japan komische Dinge, aber der Großteil der Bevölkerung ist komplett normal und langweilig. Klar, es ist eine andere Kultur und manche Dinge wirken komisch. Aber irgendwie hält sich nur bei Japanern das Vorurteil, dass sie irgendwie total abgefahren sind.

… so dünn?

Irgendwie scheinen manche Leute davon auszugehen, dass alle Japaner und vor allem Japanerinnen einfach von Natur aus total schlank sind. Und ja, auf der Straße sieht man eher selten dicke Menschen. Aber erstens sind Japaner anders gebaut und zweitens legen vor allem Frauen oft viel Wert darauf dünn zu sein. Die Message, die man im Westen inzwischen oft hört: “Es ist ok, wenn du nicht schlank bist”, “Es gibt Wichtigeres als dein Aussehen”, ist in Japan so gut wie nichtexistent. Dünn zu sein ist hier wichtiger als in Deutschland, oft nicht für sondern durchaus auch gegen die eigene Gesundheit.

Man muss sich wirklich nur einmal am Zeitungsstand umschauen um zu merken, dass auch Japanerinnen Diät halten. 🙂

… so schlau?

Japaner sind nicht mehr oder minder intelligent als alle anderen Menschen. Es wirkt vielleicht so weil sie mehr lernen. Ich sehe in Japan viel mehr Leute mit Lehrbüchern in der Bahn und in Cafés als in Deutschland. Mein Mann kann fünf Stunden beinahe ohne Unterbrechung lernen. Das ist wahrscheinlich etwas, was man sich in der Kindheit entweder aneignet – oder eben nicht.

… so hübsch?

Weil man, wenn man nicht gerade in einer Gegend mit vielen Japanern lebt, in Deutschland nur die Bilder aus den Medien zu sehen bekommt. Es gibt hässliche Japaner, es gibt schöne Japaner, und es gibt natürlich auch das ganze Spektrum dazwischen. Große Überraschung: Schauspieler und Models representieren nicht den Durchschnitt der japanischen Bevölkerung. 🙂

… so verrückt?

Wenn “komisch” gemeint ist: Siehe oben. Ansonsten habe ich das Gefühl, dass in Japan mehr “verrückte” Menschen leben weil erstens viele Leute unter einem enormen Druck stehen und zweitens psychische Erkrankungen von der Masse nicht wirklich anerkannt werden. Es gibt in Japan das Konzept von 建前 (tatemae) und 本音 (honne), dem Gesicht, dass du der Welt zeigst und dem, was du wirklich denkst. Natürlich gibt es diesen Unterschied auch in Deutschland, aber in Japan wird erwartet, dass man immer seine wahren Gefühle und die Gefühle, die für eine Situation angemessen sind, immer brav auseinanderhält und bloß nicht seine eigene Meinung durchscheinen lässt. Um des Friedens willen.

Dann besteht noch das Problem mit 我慢 (gaman; Aushalten). Wenn man sich die verlinkte Wikipedia-Seite durchliest, klingt Gaman total super. “Einschränkung des Egoismus zu Gunsten anderer”, toll, da können sich die Deutschen mal eine Scheibe von abschneiden! Letztendlich heißt es aber, dass man alles für sich behält, nicht um Hilfe bittet und, wenn jemand durch telepathische Superkräfte merkt, dass man Probleme hat und Hilfe anbietet, auch die nur zögerlich annimmt.

Für viele Leute mag Tatemae und Gaman total gut funktionieren, aber stellt euch vor jemand wächst mit diesen Werten auf und sein Leben geht, durch Schicksalsschläge oder psychische Probleme, den Bach herunter. Wo in Deutschland vielleicht jemand eingreifen könnte, merkt man hier oft erst, dass etwas schief läuft, nachdem etwas Schreckliches passiert ist. Vor kurzem hat ein Teenager einen alten Mann umgebracht, weil er gestresst war.

… so ruhig?

Gaman.

… so freundlich?

Tatemae.

Gaman und Tatemae haben durchaus ihre guten Seiten. Bei einer großen Katastrophe wie dem großen Beben 2011 hilft Gaman. Das tägliche Leben ist so angenehm, weil alle mit ihrem Tatemae durch die Gegend laufen.

Natürlich ist das nicht alles echt, was vor allem in Deutschland, wo Authentizität so wichtig ist, ein wenig Naserümpfen verursacht. Aber stellt euch mal vor, ihr würdet in euer Bürgeramt gehen, und alle wären nett und würden sich bemühen euch den besten Service zu geben, auch wenn ihr ihnen eigentlich egal seid. Wäre das so schlimm? Das Problem entsteht, wenn man sein Tatemae nicht mehr ablegen kann, wenn man jeden Tag nur Gaman… macht.* Das passiert, und manchmal endet es tragisch. Es deswegen komplett zu verteufeln finde ich aber auch problematisch. Ein gesunder Mittelweg muss her.

* “etwas aushalten” ist auf Japanisch 我慢する (Gaman suru; Aushalten machen).

Letztendlich bleibt nur zu sagen: Japaner sind total normal, nur anders. 🙂

Japanische Regeln: Der Tod ist gleich um die Ecke.

Viele japanische Regeln haben mit dem Tod zu tun.

Nie in Richtung Norden schlafen!

Um im besten Winkel zu unserer Klimaanlage zu schlafen ändern wir manchmal uns Schlafrichtung. Dabei muss man aber vorsichtig sein: Man darf nie mit dem Kopf in Richtung Norden schlafen, das bringt Unglück. Der Grund ist ganz einfach: Gräber sind nach Norden ausgerichtet, Tote schlafen also in der Richtung. Für immer.

Kaum jemand wird aber zu euch nach Hause kommen und die Ausrichtung eures Kopfkissens bemängeln. Ist also recht egal.

Nicht die Stäbchen in den Reis stecken!

Im Westen legt man recht oft sein Besteck im Essen ab. Es würde sich also anbieten, Stäbchen einfach in den Reis zu stecken, während man etwas anderes macht. Tut es nicht, denn so bietet man den Toten Essen an.

Es wird einen vielleicht jemand darauf hinweisen, aber es ist kein dramatischer Faux-Pas.

Essen nicht mit Stäbchen übergeben! Nicht mit nur einem Stäbchen etwas essen!

Beides erinnert an eine Tradition bei Beerdigungen. Dort werden Knochenstücke von den Gästen je zu zweit mit je einem Stäbchen in der Urne verstaut. Ja, japanische Beerdigungen sind ein wenig anders…

Wenn ihr versucht einem Japaner etwas mit Stäbchen zu übergeben, wird er wahrscheinlich abwinken, aber ansonsten ist es recht egal.

Beim Kimono ist immer die linke Seite oben!

Das ist eine wichtige Regel, wenn ihr sie nicht einhaltet ist es einfach super peinlich und statt der gewünschten bewundernden Blicke bekommt ihr mitleidige. Beim 着物 (Kimono) und auch bei 浴衣 (Yukata) ist immer die von euch gesehen linke Seite oben, so dass ihr die rechte Hand seitlich reinstecken könnt. Andersherum tragen es nur Tote.

Mehr fallen mir auf Anhieb nicht ein, vielleicht wisst ihr ja noch etwas? 🙂

Von mir vor 15 Jahren.

Zur Jahrtausendwende wurde im Garten meiner Großeltern in der Nähe von Berlin eine Kiste vergraben. Darin waren Briefe und Zeichnungen von meinen Cousins, mir und eventuell meiner Schwester*, auf dass wir uns in späteren Jahren daran erfreuen können.

* Sie war zu dem Zeitpunkt erst zwei Jahre alt.

Letztendlich wurden es 15. Letztes Wochenende wurde der Schatz geborgen und mein Vater hat meinen Brief eingescannt und mir geschickt.

Brief-1Brief-2

Ihr seht, ich hatte meine Prioritäten. 1 Kind, klar! Und Diddl. Weil Diddl. Dann auf dem zweiten Blatt mysteriöse… Babygeräusche? Ich weiß es nicht. Und warum sagt das Diddl-ähnliche Ding “Quak”?

Meine Eltern baten um einen zweiten Brief, der wieder an derselben Stelle verbuddelt wird. Dieses Mal habe ich es noch kürzer gehalten. Letztendlich ist es nur eine Frage. Die werde ich hier aber nicht hinschreiben, das ist privat. 😉

Sich selbst in die Zukunft etwas zu schreiben ist gar nicht so einfach. Hättet ihr denn etwas, was ihr euch selbst vor zehn, 15 Jahren sagen wollen würdet?