Der viel zu frühe Tod und die Traurigkeit.

Tatsuya ist tot. Wie Tatsuya wirklich heißt, weiß ich gar nicht, ich kenne nur seinen Nachnamen. Aber für diesen Blog ist das jetzt sein Name.

Am Samstagmorgen vor Weihnachten liegen mein Mann und ich im Bett, wir reden darüber, dass er in der Nacht zuvor arbeitstechnisch auf den Tokyo Tower geklettert ist. Dann plötzlich: “Yone hat mich gestern plötzlich angerufen, Tatsuya hat sich umgebracht.” Ich weiß nicht, um wen es geht. Er erzählt, wie er Tatsuya beim Bewerbungsgespräch bei der Firma kennengelernt hat. Wie sie beide am selben Tag ihren Vertrag unterschrieben haben.

Tatsuya hatte psychische Probleme, war seit zwei Jahren beurlaubt. Er wohnte dennoch im Wohnheim der Firma, die ihm auch weiterhin ein Gehalt zahlte.

Im Herbst waren sie zusammen trinken, ein Kollege hatte geheiratet. Tatsuya wirkte glücklich, erzählte, dass er endlich zurück nach Hause gehen wolle, zur verwitweten Mutter in die Kleinstadt.

Dann hat er sich im Wohnheim umgebracht.

Ich weine. Mein Mann ist ruhig. Er sagt, dass er es noch gar nicht realisieren kann.

Das beschäftigt ihn natürlich. Jedes Mal, wenn er in den folgenden Wochen von Tatsuya redet, fange ich an zu weinen. Vielleicht weine ich für ihn mit. Er kann noch immer nicht weinen. Er und zwei Kollegen schicken Geld für die Beerdigung an Tatsuyas Mutter, das ist so üblich. Auf die Beerdigung selbst gehen sie nicht, schließlich sind sie Arbeitskollegen und Tatsuya hat sich im Wohnheim das Leben genommen.

Auch als ein Brief von Tatsuyas Mutter kommt, kann mein Mann es noch nicht glauben.

Derweil hinterfrage ich meine Traurigkeit. Ich kenne Tatsuya nicht. In meinem Leben existiert er erst seit dem 20. Dezember, da lebte er schon nicht mehr. Mache ich mir Sorgen um meinen Mann? Nein. Berühren mich die Schicksale der Menschen, die in Tokyo tagtäglich vor die Bahn springen? Nicht länger als drei Sekunden.

Schon eigenartig, wie es mir so nahe geht, dass ich auch einen Monat danach noch regelmäßig darüber nachdenke und das Bedürfnis verspüre, es mir in diesem Blog von der Seele zu schreiben.

Im März wird mein Mann zum Grab fahren. Ich hoffe, dass Tatsuyas Tod dort für ihn real wird. Dann kann er vielleicht auch trauern.

Unsere Küche ist komplett!

In japanischen Küchen ist es nicht standard, einen Ofen zu haben. Die meisten Wohnungen sind für einen Gasherd (ガスコンロ) wie auf dem Foto ausgelegt. Für die japanische Küche braucht man höchstens den kleinen Fischofen, der in jedem dieser Gerärte zu finden ist.

Unserer ist wie neu, weil ich keinen Fisch zubereite.

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Wir wollten schon seit längerem einen Ofen kaufen, am besten als Kombigerät mit einer Mikrowellenfunktion, damit wir nicht zwei Geräte herumstehen haben. Unsere Küche ist sehr klein, wir mussten also auch darauf achten, dass der neue Ofen überhaupt hineinpasst.

IMG_20140119_152724Am Sonntag ging es also mit Mann im Schlepptau zu Yodobashi Camera in Akihabara. Es ist wahrscheinlich das größte Elektronikkaufhaus in der Stadt, wir rechneten uns also gute Chancen aus. Und siehe da, wir haben etwas gefunden. 😀 Für ca. 26,000Yen (ca. 185€) haben wir den Toshiba ER-LD7 gekauft. Er ist ziemlich massiv, passt aber problemlos auf unser dafür vorgesehenes Regal. Außerdem ist der Innenraum im Vergleich zu anderen Geräten recht groß. 🙂 Bis 250°C heiß wird er und hat einige voreingestellte Programme. Das praktischste ist eigentlich, dass er piepst wenn er fertig vorgeheizt ist und automatisch ausgeht sobald die angegebene Backzeit erreicht ist – keine verbrannten Pizzen mehr!

Eigentlich wollten wir gleich am ersten Abend Lasagne machen, haben es dann aber bei Muffins belassen. Unsere Küche ist komplett. ♥ Jetzt kann mein Mann auch endlich wieder Kuchen backen, darin ist er nämlich total gut! 😀

Die Sache mit den getrennten Betten.

Derzeit schlafe ich im Wohnzimmer. Nicht, weil wir uns gestritten hätten, sondern weil ich derzeit im Schlaf abwechselnd röchle, krächze und wie ein Schweinchen grunze. Ich bin schließlich noch immer krank.

Nun könnte man meinen, dass mein Mann da ja ruhig mal ein Auge zudrücken könnte, schließlich sei ich seine Ehefrau und für die Liebe müsse man halt Opfer bringen. Sieht er anders. Ich auch.

Denn erstens arbeitet er viel mehr als ich. Also auch an mehr Tagen. Zur Zeit hat er einen Tag in der Woche frei, meist Sonntags. Wenn er arbeitet, wird zwischen halb sechs und zehn vor sechs aufgestanden. Schlafmangel durch nächtliche Schweinestallgeräuschkulisse ist also gar nicht cool.

Zweitens schlafen in Japan Ehepaare eh oft nicht im gleichen Bett und manchmal nicht einmal im gleichen Zimmer. Auch wir haben zwei getrennte Matratzen, mit ca. zehn Zentimeter Abstand, also nicht ganz so weit entfernt. Kuscheln kann man zwar, wenn man in das Bett des Partners hüpft, aber ich kann mich nicht auf seiner Matratze breitmachen oder seine Decke stehlen – Dinge, die er mir vorwirft zu tun, wenn wir aus irgendwelchen Gründen doch mal in einem Doppelbett schlafen.

Eigentlich spräche sogar einiges dafür, dass wir gar nicht in einem Zimmer schlafen. Er wurde als Kleinkind nämlich offenbar mit Samthandschuhen angefasst und kann deswegen nur in beinahe absoluter Dunkelheit und Stille schlafen. Ich würde auch nicht aufwachen, wenn im grellsten Sonnenschein eine Granate neben mir explodiert. Ob Auto, Bahn, Bus, Flugzeug, ich kann überall schlafen.

Man könnte annehmen, dass es für mich kein Problem sei in vollkommener Dunkelheit und Ruhe zu schlafen, wie mein Mann es mag. Ist es aber doch! Weil wir die Rolladen jeden Abend zumachen kann ich morgens kaum erkennen, ob es schon Zeit zum aufstehen oder zwei Uhr nachts ist, was meine innere Uhr verunsichert und mich ärgert. Ich würde gern von strahlendem Sonnenschein geweckt werden, vielen Dank. Die Lärmphobie bedeutet auch, dass wir oft nicht bei offenem Fenster schlafen können. Stattdessen wird dann die Klimaanlage bemüht, es findet kein Luftaustausch statt und jeden Morgen reiße ich die Rolladen hoch und das Fenster auf um mich nicht wie in einem U-Boot zu fühlen. Sauerstoff ist wichtig!

Es bringt nichts um den heißen Brei herumzureden: Wir sind schlaftechnisch nicht kompatibel. Wir würden sehr davon profitieren hätten wir noch ein Zimmer, damit wir getrennt und unserem jeweiligen Naturell entsprechend schlafen können. Das macht uns nicht zu einem weniger liebevollen Ehepaar, wie ein sehr bescheuerter früherer Kollege annahm, schließlich sind wir nicht nur abends vorm Schlafengehen nett zueinander. Immer aufeinander hocken ist auch keine Lösung, also basteln wir uns Freiräume. Wie zwei Individuen halt. 🙂

Sonderbare Ausführungen zum Schlafverhalten des Ehepaares O., Ende.

Unser warmer Punkt.

Seit letztem Wochenende haben wir einen 火燵 (Kotatsu)!

Das übliche Chaos.

Das übliche Chaos.

Ein Kotatsu besteht aus drei Teilen: Einem Tisch mit Heizung an der Unterseite, einer Decke, die an allen Seiten bis zum Boden reicht, und einer Oberplatte. Wenn man dann die Heizung einschaltet wird es unglaublich warm und kuschelig.

Weil man ohne Stuhl nicht ewig auf dem Hosenboden sitzen kann haben wir uns auch 座椅子 (Zaisu) gekauft. Das sind Stühle ohne Beine, so dass man sie mit den niedrigen japanischen Tischen nutzen kann. Außerdem haben wir keinen Raum mit Tatami, Holzboden ist chronisch kalt, also wurde ein kleiner Teppich gekauft.

Insgesamt hätte uns diese ganze Kotatsu-Aktion über 40,000Yen (ca. 290€) gekostet, aber meine Schwiegereltern konnten es nicht lassen und haben uns alles aus der Stühle finanziert. Man kann versuchen sich dagegen zu wehren, aber jeglicher Widerstand ist zwecklos.

Und so verlagert sich derzeit jeden Abend unser Lebensmittelpunkt in Richtung Schlafzimmer und die warme Decke und wir lesen Bücher, lernen, sehen uns Sendungen an oder reden. Dabei fehlen dürfen natürlich nicht die Mandarinen, die sind aus irgendeinem Grund total winterlich. Wie übrigens auch Erdbeeren, was noch ein wenig komischer ist…

Aber so kann der Winter kommen. 🙂