Tag der deutschen Einheit.

Am Geburtstag meines Großvaters ist auch der Tag der deutschen Einheit. Für gewöhnlich habe ich an diesem Tag in Japan nichts gemacht, es ist schließlich auch kein Feiertag. Dann erzählte mir aber eine deutsche Freundin, dass man am Tag der deutschen Einheit zur deutschen Botschaft gehen und sich kostenlos den Bauch vollschlagen kann, wenn man einen deutschen Pass hat oder Partner oder Kind eines deutschen Staatsangehörigen ist. Ich hätte also sogar den Göttergatten mitnehmen können, aber der musste mal wieder bis spät abends arbeiten.

Aber gut, ganz alleine war ich ja trotzdem nicht. Am U-Bahnhof 広尾 (Hiroo) war dann plötzlich der Anteil an Deutschen unglaublich hoch. Ich habe hier eigentlich noch nie durch Zufall auf der Straße einen hier lebenden Deutschen getroffen, auch wenn in Japan über 5000 von uns wohnen. Vor der Botschaft musste ich meinen Pass vorzeigen, um zu beweisen, dass ich kein Franzose bin, der sich einfach nur durchfuttern will. 😉

20131003_191024Und dann traf ich die Maus! 😀 Ich konnte mir es natürlich nicht nehmen lassen mit ihr fotografiert zu werden. Nach noch einer Runde Anstehen um in die Residenz des Botschafters und den Garten zu kommen, fanden wir uns plötzlich in einer riesigen Ansammlung von Deutschen. So. Viele. Deutsche. Deutsch von allen Seiten!

Im Garten hatten verschiedene Firmen ihre Stände aufgebaut und verteilten Speisen und Getränke. Unter anderem: Käse! Echter Käse! Der ist in Japan schweineteuer. Außerdem gab es natürlich Würstchen, Laugengebäck, Kuchen und jede Getränke.

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Würstchen, Sauerkraut und Käse. Farben leider etwas unappetitlich weil abends.

Während ich kein Heimweh habe (wirklich), ist es ganz tatsächlich ganz nett mal um Deutsche herum zu sein und wer schlägt kostenloses Essen aus?

Nach zwei Stunden ging es dann wieder nach Hause, dann machen die Stände nämlich zu. Die Freunde, mit denen ich da war, gingen danach noch trinken, ich musste heute aber arbeiten und so drängelte ich mich in die volle Bahn stadtauswärts.

Man muss übrigens nicht in Japan leben, um in den Genuss dieser Veranstaltung zu kommen. Touristen kommen ohne Probleme hinein, Informationen gibt es jedes Jahr auf der Seite der deutschen Botschaft in Japan.

Als Ausländer in Japan. Oder so.

(Dies ist der beliebteste Eintrag auf meinem Blog, aber nicht der beste. Weitere Einträge von mir zum Thema “Als Ausländer in Japan” findet ihr hier.)

Als Ausländer in Japan zu leben, kann durchaus nervig sein. Einige Bekannte erzählen mir immer wieder über eine gewisse herablassende Haltung ihnen gegenüber. Sie werden dann nicht ernstgenommen und abgewimmelt, auch wenn sie zahlende Kunden sind. Eine Freundin erzählte mir, dass sie teilweise im Laden stehengelassen wird, unter dem Vorwand dass “gleich jemand anders kommt” um ihr zu helfen.

Das ist mir zum Glück schon echt lange nicht mehr passiert, deswegen war ich echt baff, als sich auf dem Flug von Seoul nach Japan im Mai ein Dialog mit einer Stewardess entspann. Diese hatte vorher mit meiner Schwiegermutter und deren Freundin geredet, ich hatte mich nicht für ihr Gespräch interessiert und derweil gelesen. Als ich meine Zeitung herunternahm, lächelte sie mich an und…

Stewardess: Sprechen Sie Japanisch?

Ich: Ja…?

Stewardess: Aber nicht so viel, oder?

Ich: Doch, schon.

Stewardess: Aber Fernsehsendungen verstehen Sie nicht, oder?

Ich: Doch, das bereitet mir eigentlich keine Probleme.

Wirklich so. Im Stil von “Du kannst doch bestimmt nicht…”. Was die Dame sich eingebildet hat, weiß ich nicht. In dem Moment war ich so baff und auch sauer, dass sie meine Sprachkenntnisse in Frage gestellt hat ohne auch nur ein Wort aus meinem Mund gehört zu haben, dass ich mich einfach wieder in meine Zeitung vertieft habe, um sie nicht anzublaffen*.

* Als könnte ich irgendjemanden vor vielen anderen Leuten anblaffen.

Dass mich jemand dermaßen dumm gefragt hat, war das erste Mal. Zumal es in der Situation gar nicht wichtig war, ob ich Japanisch spreche oder nicht, anders als im Krankenhaus, wo ich auch ständig gefragt werde. Dort lässt man mich aber auch nach der ersten Frage in Ruhe und versucht mich nicht doch als Dummchen zu “entlarven”.

Am komplett anderen Ende der Skala bekommt man in Japan übrigens immer wieder erzählt, dass man total tolles Japanisch spräche. Das ist leider auch nichts, worüber ich mich richtig freuen könnte. “Aber warum, es ist doch ein Lob?!” Es ist so sehr ein Lob, wie wenn mir jemand sagen würde, dass ich echt toll meine Schuhe zubinden kann. Als ich zuerst nach Japan kam, war mein Japanisch grausig, den JLPT N5 hatte ich damals nur ganz knapp bestanden. Trotzdem, aus allen Richtungen:

日本語お上手ですね!(Nihongo o-jôzu desu ne!)

Sie sprechen wirklich gut Japanisch!

Wenn mich nun aber jemand schon gelobt hat, als ich nicht gut war, und mich jetzt, wo ich um einiges besser bin, noch immer mit denselben Worten bedenkt, kann ich es nicht ernstnehmen. 🙁 Das ist wahrscheinlich total gemein, weil das Gegenüber ja nur nett zu mir sein möchte, aber so ist’s dann halt.

Ich möchte betonen, dass fast alle Leute komplett nett zu mir sind. Wenn sie es nicht wären, könnte ich mich auch mit Worten wehren. Dummerweise bin ich nicht ganz so schlagfertig, das übernimmt mein Mann dann im Nachhinein für mich. Als ich ihm von der oben beschriebenen Stewardess erzählte, meinte er, dass ich doch einfach mal hätte zurückfragen sollen.

Sie sprechen doch nur Japanisch, oder? Sprechen Sie Englisch? Aber sicherlich nicht so gut!

Er schlägt auch immer vor, dass ich mich an sämtlichen Touristeninformationen im Inland auf Englisch informieren solle. So gemein bin ich aber nicht. 😉

Es hat auch etwas Gutes für mich, Ausländerin zu sein: Die Leute erinnern sich an mich und meinen Namen. Vorm Yoga muss jeder seine Mitgliedskarte am Schalter abgeben, und während so gut wie alle anderen Damen vor der Zurückgabe nach dem Unterricht nach ihrem Namen gefragt werden, bekomme ich einfach meine Karte überreicht. Wenn ich vor ganz langer Zeit mal wo einkaufen war, erinnert man sich noch an mich und freut sich (scheinbar, ich kann ja keine Gedanken lesen) mich zu sehen. Dass das nur so ist, weil ich anders aussehe, ist mir durchaus klar, aber es ist nicht ganz unangenehm. 🙂

Insgesamt glaube ich, dass ich es als japanischsprechende Deutsche noch wirklich leicht habe. Hier hat so gut wie niemand eine schlechte Meinung von Deutschland, auch wenn das Bild im Kopf der meisten Leute aus vier Elementen besteht: Bier, Würstchen, Autos, Neuschwanstein. 😉 Damit kann ich aber hervorragend leben. Solang mich nicht jemand für blöd verkaufen will…

Alle Jahre wieder.

Heute habe ich die große Freude, endlich mal wieder meine Freunde in der Visa-Stelle des Außenministeriums zu besuchen. Es ist wieder soweit, mein Visum läuft übernächste Woche ab, und weil ich dieses Jahr etwas getrödelt habe, komme ich erst heute zum Beantragen. Das sollte aber eigentlich kein Problem sein, solange ich den Stempel in meinen Pass bekomme, dass der Prozess angestoßen ist.

Etwas nervig ist, dass ich den Wisch vom letzten Jahr schon wieder ausfüllen muss (und ich mich an manche Dinge einfach nicht erinnere), diesmal werde ich mir auf Arbeit eine Kopie machen. Bei mir hat sich beinahe absolut nichts verändert, nur die Adresse ist neu. Trotzdem, vier ausgefüllte Seiten und sechs weitere Dokumente…

Wer eine Auflistung aller benötigten Papiere sucht, hier ist ein Eintrag darüber. Aber ich will nicht meckern, ich hörte, dass das in anderen Ländern noch viel nerviger ist.

Einträge über Seoul dann demnächst. 🙂

Über das Heimweh.

Ich habe kein Heimweh. Zumindest nichts, was man normalerweise darunter verbuchen würde. Während ich meine Berliner Heimat schätze, verspüre ich kein großes Bedürfnis, dort zu sein. Nicht einmal mehr zu Weihnachten. Wahrscheinlich würde es mich nicht einmal groß stören ein Jahrzehnt nicht nach Deutschland einzureisen. Wirklich.

Berlin ist lockerer als Tokyo, grüner und schöner. Auch wenn meine Eltern mit mir im Alter von acht Jahren in die grüne Vorstadt gezogen sind, ist Berlin doch die einzige Stadt, in der ich in Deutschland je gewohnt habe. Berliner Sommer ist für mich der schönste Sommer und ich verbinde unglaublich viel mit der Stadt. Natürlich. Wenn man bis im Alter von 18 Jahren dort lebt, ist Berlin der Standard, positiv und negativ. Die Stadt hat mich geprägt, und war vor allem als ich alle möglichen Stilrichtungen mal ausprobiert habe, ein großartiger Spielplatz. Berlin ist meine Heimat. Die Frage, ob es mich nach Berlin zieht, muss ich aber verneinen.

Nach dem ersten Jahr in Japan hat es mich aber auch nicht zurück nach Tokyo gezogen, als ich wieder in Deutschland war. Sondern zurück zu meinem Mann. Es ist also kein Berlin versus Tokyo-Problem, sondern einfach etwas, das mir komplett abgeht. Ich habe eher Fernweh, nach Orten an denen ich noch nie war. Aber zurück zum Heimweh:

Ich bin auch niemand, der seine Eltern einmal die Woche anruft, wahrscheinlich sehr zum Leidwesen ebendieser. Mit meinem Vater schreibe ich manchmal E-Mails, mit meiner Mutter kommuniziere ich eher selten. So schwer es mir tut das zuzugeben, mir reicht das so, wie es ist. Natürlich denke ich manchmal, dass ich keine besonders gute Tochter bin. Dann versuche ich es scherzhaft abzutun: Wer seine Tochter im Kleinstkindalter für eine Woche an die Großeltern abschiebt um nach Paris zu fahren* braucht sich nicht wundern, wenn sie unabhängig wird. Komplett selbst eingebrockt. Aber in Wirklichkeit fühle ich mich natürlich trotzdem zumindest ein wenig schlecht.

* Wo war ich eigentlich, als meine Eltern in Marokko waren? Oder gab es mich da noch gar nicht? Ich erinnere mich nur an dieses große Glas mit Wüstensand im Büro meines Vaters.

Letztens kam ich irgendwie bei YouTube beim Herumklicken auf Tomte. Um genau zu sein auf “Die Schönheit der Chance” vom Album “Hinter all diesen Fenstern”. Das Lied zwar keinen genauen Bezug zu der Entdeckung, die ich machte, aber es ist ein gutes Lied und ihr solltet es euch anhören.

Nach ein wenig Herumklicken sah ich, dass das Album 2003 veröffentlicht wurde. Zehn Jahre ist das her. Für jemanden wie mich ist das fast ein halbes Leben her. An die Zeit, als ich Tomte viel gehört habe, erinnere ich mich gut. An die Leute mit denen ich unterwegs war, an die (wenigen) Festivals und Konzerte auf denen ich war, an so viel, so genau.

Und dann trat es mich plötzlich in die Magengrube: Ich vermisse Deutschland nicht. Ich vermisse auch die Deutschen nicht. Aber es macht mich unglaublich traurig zu wissen, dass ich hier allein mit all diesen Erinnerungen bin. Allein mit meinen Erinnerungen an Pittiplatsch-Kasetten und Astérix-Comics. Allein mit meinen Erinnerungen an die Bravo und an das erste Ärzte-Konzert. Allein mit all meiner deutschen Popkultur und all diesen Erinnerungen und all diesem Wissen, das tief in mir verankert ist. All diese Erinnerungen sind wenig wert ohne jemanden, der sie teilt.

Egal ungern ich wieder nach Deutschland ziehen würde, meine Nostalgie ist deutsch.

Mein Mann wird nie dieselben nostalgischen Erinnerungen haben, wie ich. Wenn ich vom Radiosender Fritz erzähle muss das auf ihn so wirken, wie wenn er mir von Sazae-san erzählt: Schön zu wissen, aber ich habe keinen Bezug dazu. Irgendwie ein ziemlich trauriger Gedanke.

Ob das wirklich Heimweh ist, ist eine andere Frage. Denn wirklich im Sommer nach Deutschland fliegen möchte ich noch immer nicht. Auch wenn ich es mir, angesichts des bereits bezahlten Flugtickets, versuche schönzureden. 😉