春画 (Shunga): Wenn Pornographie zu Kunst wird.

Letzten Freitag hat meine berliner Freundin Anna mit ihrem Freund bei uns übernachtet. Den Tag hatte ich mir freigenommen, und wir fuhren in die Stadt. Auf unserem Weg kam uns die Idee, zur 春画展 (Shunga-ten; Shunga-Ausstellung) zu fahren.

春画 (Shunga), wortwörtlich “Frühlingsbilder”, bezeichnet erotische Bilder, vor allem aus der Edo-Zeit (1603-1868). Heute sind sie als Kunst anerkannt, aber machen wir uns nichts vor: Es sind historische Masturbationsvorlagen.

Warnung: Ab hier Sex.

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Vokabelnlernen mit Reibung.

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猛威 (Môi; Bedrohung, Raserei) und 豪快 (Gôkai; famos, aufregend)

Seit ich 2011 den JLPT N1 abgelegt, und dann wundersamerweise auch bestanden habe, lerne ich nicht mehr aktiv japanische Vokabeln. Ich kann mich problemslos verständlich machen, was mehr brauche ich? Wortgewandtheit. Präzision. Deutsch ist eine sehr präzise Sprache, auf Japanisch kann ich mich aber nicht halb so gut ausdrücken. Und trotzdem werde ich gefragt, ob ich nicht vielleicht in Japan aufgewachsen oder zur Schule gegangen sei, oder ob ich vielleicht Halbjapanerin wäre. Mit der Nase?!

Wo lernt man neue Worte? In Büchern! Im Englischen geht das ganz gut, man liest ein Wort mehrere Male in verschiedenen Zusammenhängen und irgendwann weiß man, was es heißt. Auf Japanisch ist das Problem, dass ich erst einmal lesen können muss, was da steht. Selbst wenn ich die Zeichen kenne, erschließt sich mir die Aussprache oft nicht. (Japanisch hat verschiedene Lesungen für ein und dasselbe Schriftzeichen.)

Aber beim Lesen Zeiche nachzuschlagen stört den Lesefluss. Aufschreiben kann ich sie oft auch nicht, meist lese ich nämlich in der Bahn. Es wäre ganz wunderbar, die Worte irgendwie zu markieren, damit ich sie später gesammelt heraussuchen kann – aber in Bücher zu kritzeln ist babarisch.

IMG_3764Deswegen habe ich mir vor einigen Tagen endlich Frixon-Marker zugelegt. Frixon wird in der Silbenschrift Katakana genauso geschrieben wie Friction (Reibung), und das ist das Besondere: Sie sind komplett wegradierbar, nur durch Reibung. Also letztendlich natürlich durch die Hitze, die durch die Reibung entsteht. Selbst wenn ich etwas im Buch markiere, kann ich es später also wieder ungeschehen machen. Strg + Z fürs echte Leben. 😀 Frixon gibt es auch als Stifte, auch in Deutschland, und wenn ihr gern Fehler ungeschehen machen wollt und nicht oft heißen Tee auf euren Unterlagen abstellt oder selbige auf eure Heizung legt, kann ich sie euch wärmstens empfehlen. 🙂 Wie Tintenkiller, nur besser und mehrfach radierbar.

Jetzt muss ich nur noch die Vokabeln irgendwo hin übertragen, damit es wirklich etwas bringt. 🙂

Im Moment lese ich übrigens 望遠ニッポン見聞録 (Bôen Nippon Kenbunroku; Memoiren von Japan aus der Ferne) von ヤマザキマリ (Yamazaki Mari), ihres Zeichens seit Jahrzenten nicht mehr in Japan lebende Mangazeichnerin, unter anderem von Thermae Romae. 🙂

Nicht ganz auf der Höhe.

Liebe Leserinnen und Leser, ich kränkle derzeit etwas vor mich hin.

Eine kränkelnde Autorin ist weder wortgewandt noch lustig, sondern vor allem irgendwie … だるい (darui; träge, schwerfällig). Dazu kommt, dass ich einen langen Eintrag über ein Thema schreibe, das hier normalerweise nicht angesprochen wird*, und dass plötzlich Leute aus der Versenkung auftauchen, die an mir zerren. Insgesamt also suboptimal, dabei fahren wir doch nächste Woche in den Kurzkurzurlaub.

* Traditionelle Pornographie. Wirklich.

Solange meine Energie nicht zurückkommt, werde ich hier auch weniger schreiben. Das tut mir immer so leid, weil eigentlich hätte ich ja total viele Themen – sie fallen mir nur gerade nicht ein. Wie gesagt, mein Kopf ist träge.

Entschuldigt also den Mangel an Einträgen, auch dass es auf Facebook und Instagram so ruhig ist. Wird alles wieder besser, versprochen!

Die schwarzen Schafe der japanischen Arbeitswelt.

 

Ihr macht ständig Überstunden ohne Bezahlung? Ihr könnt euch nie freinehmen? Ständiger Druck? Leute arbeiten bis sie ausbrennen und kündigen? Anzeichen von PTSD? Dann seid ihr wahrscheinlich bei einer ブラック企業 (Burakku (black) Kigyô; schwarzen Firma) gelandet.

Mit dem Begriff bezeichnete man ursprünglich Firmen mit Beziehungen in die japanische Unterwelt, seit Ende der Bubble (バブル, ein Wirtschaftswunder zwischen 1986 und 1992 – das dann wie eine Seifenblase zerplatzte) bezeichnet es auch Firmen, die alles andere als sorgfältig mit ihren Mitarbeitern umgehen. Während der Bubble gab es viel Geld und schnelle Autos – aber auch großen Wettbewerb und unmenschliche Arbeitsbedingungen. Zuckerbrot und Peitsche im Großformat.

Schwarze Firmen setzen nur noch die Peitsche ein. Unbezahlte Überstunden (サービス残業; Sâbisu (Service) Zangyô), schlechte Bezahlung, Vorgesetzte, die keine Verantwortung übernehmen – und vor allem: Vorgesetzte, die während der Bubble in die Firma gekommen sind und meinen, die heutige Generation sei weich, wenn sie sich nicht komplett für die Arbeit verausgabt.

Damals haben wir noch viel härter gearbeitet, ich habe meine Familie damals die ganze Woche lang nicht gesehen.

Sprach’s zum neuen Mitarbeiter, der seinen Vater damals nur am Wochenende gesehen hat – wenn überhaupt. Die Generation, die mit effektiv alleinerziehenden Müttern aufgewachsen ist, hat oft andere Werte. Mein Mann will nicht nur in den öffentlichen Dienst wechseln, weil er der Gemeinschaft dienen will. Er will vor allem Vaterschaftsurlaub.

Dabei ist seine Firma nicht einmal schwarz, sondern höchstens dunkelgrau. Seine Überstunden werden immer bezahlt. Wenn er zu viele Überstunden macht*, muss er zum Firmenarzt, der zumindest halbherzig nach Anzeichen für Suizidgefahr sucht.

* Rekord: 160 in einem Monat. Inzwischen liegt er aber weit darunter.

Verantwortlich für die Überprüfung der Einhaltung des Arbeitsrechts ist das 厚生労働省 (Kôseirôdô-shô; Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales). Es überprüft seit 2013 Aufzeichnungen zu geleisteten Überstunden, etc., und plant in Zukunft die Namen von schwarzen Firmen zu veröffentlichen.** Aber natürlich sind die vom Ministerium nicht die ersten, die versuchen schwarze Firmen aufzulisten und an den Pranger zu stellen.

** Falls sie schon veröffentlicht wurden und ihr wisst, wo man sie findet, bitte kommentiert.

Die Leute vom ブラック企業大賞 (Burakku (black) Kigyô Taishô; großen Preis für schwarze Firmen – Untertitel: “Most Evil Corporation of the Year” Award) listen für 2014 die aus ihrer Sicht schlimmsten 11 Firmen, jeweils mit Begründung. Die Liste wird angeführt von der Firma 大庄 (Daisyo), die mehrere 居酒屋 (Izakaya; japanische Bars) unterhält. 2007 war ein 24-Jähriger nach nur vier Monaten mit durchschnittlich 276 Arbeitsstunden, das sind 65 Wochenstunden, an plötzlichem Herzversagen gestorben – 過労死 (Karôshi; Tod durch Überarbeiten). Das Gericht entschied, dass die Verantwortung bei Daisyo liegt. 2013 wurde den Eltern eine Entschädigung von 78.600.000Yen (ca. 582.420€) zugesprochen.

Wenn das Arbeitsministerium endlich seine Liste veröffentlicht, es stehen wohl 4000 Firmen in Japan unter Verdacht, wird es sich allerdings wohl auch selbst nennen müssen. Es gibt Berichte von Mitarbeitern, die für 180 Überstunden mit nur 30,000Yen (ca. 222€) enlohnt wurden. Das sind in etwa 167Yen oder 1,24€ pro Stunde. Das schwarze Schaf enttarnt andere schwarze Schafe? Auch spannend.

Es gibt in Japan natürlich auch Firmen, die ihren Mitarbeitern ein Privatleben zugestehen, und wo man sich auch einmal freinehmen kann. Aber die japanische Arbeitswelt ist anders, und daran wird sich erst wirklich etwas ändern, wenn die auf den oberen Rängen in den Ruhestand gegangen und von Jüngeren ersetzt werden. Immerhin wird bei der Firma meines Jahres nicht mehr jeden zweiten Tag, wie damals bei meinem Schwiegervater, zur 飲み会 (Nomikai; Trinkfeier) gerufen.

Leben in Japan ist zwar absolut nett, nur in einer japanischen Firma zu arbeiten will man eigentlich eher nicht.

P.S. Es gibt immer mal wieder sensationelle Meldungen über Japaner, die am Schreibtisch auf Arbeit schlafen können. Firmen, bei denen das möglich ist, haben Mitarbeiter, die pro Nacht nur vier Stunden schlafen können, weil der Rest von Arbeit bestimmt ist. In den meisten Firmen ist Schlafen am Arbeitsplatz dann doch nicht erlaubt.