Sommer, Sonne, Highschool Baseball!

Der tokyoter August hat uns wieder. Es ist so heiß, dass der Kindergarten meines Sohnes an den meisten Tagen das Schwimmbecken im Garten ungenutzt lässt – zu gefährlich ist es, die Kinder der Hitze auszusetzen.

Die Sorge gilt aber offenbar nur für kleine Kinder. August bedeutet nämlich auch: Kōshien (甲子園)! Das ist der kurze, gebräuchliche Name für das landesweite Baseball-Meisterschaftstournier der Oberschulen (全国高等学校野球選手権大会 Zenkoku Kōtōgakkō Yakyū Senshuken Taikai). In diesem kämpfen alljährlich 49 Teams aus Oberschulen im ganzen Land um den Titel und es gilt als Sprungbrett in den professionellen Sport.

Warum eigentlich Baseball?

Baseball ist japanischer Volkssport. Anders als andere aus dem Ausland kommenden Sportarten, hat er sogar einen japanischen Namen: 野球, Yakyū.

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Viele denken, dass die Ausbreitung des amerikanischen Sports etwas mit der Besatzung Japans durch Amerika nach dem zweiten Weltkrieg zu tun hätte. Tatsächlich kam Baseball in einem ganz anderen Kontext nach Japan: Nach der Öffnung des Landes (wir erinnern uns: Japan hatte sich bis 1854 über 200 Jahre vom Rest der Welt abgeschottet) wurden Oberschulen als Vorläufer der Universitäten gegründet. An diesen Schulen unterrichteten auch Lehrer aus dem Ausland, unter anderem Amerika. Verschiedene amerikanische Lehrer kamen im gleichen Zeitraum nach Japan und brachten den Schülern an der Vorgängerschule der Universität Tokyo und der Landwirtschaftsschule Sapporo Baseball bei.

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Von dort aus verbreitete es sich in anderen Schulen und letztendlich in der breiten Bevölkerung. Profi-Baseball wurde erst viel später populär.

Im letzten Jahr waren über 125.000 männliche Oberschüler Mitglied im Baseballclub ihrer Schule.

Warum heißt das Tournier im Volksmund Kōshien?

Das Hanshin-Kōshien-Stadion (阪神甲子園球場 Hanshin Kōshien Kyūjō) in der Stadt Nishinomiya bei Osaka ist das Heimstadion der Hanshin Tigers. Darüber hinaus ist es aber auch seit 1924 Austragungsort des Baseball-Meisterschaftstourniers der Oberschulen.

In dieser Funktion hat es beinahe mythischen Charakter. Bevor sie nach Hause fahren, nehmen die teilnehmenden Schüler Sand aus dem Stadion mit, um die daheimgebliebenen Clubmitglieder zu motivieren.

Das Kōshien ist ein fester Bestandteil des japanischen Sommers, seit 1915 wurde es nur wenige Male ausgesetzt: 1918 wegen Unruhen wegen der stark angestiegenen Reispreise, und von 1942 bis 1946 wegen des zweiten Weltkriegs.

Wer kommt zum Kōshien?

Am Kōshien nehmen 49 Teams teil, eines für jede der 47 japanischen Präfekturen – Tokyo und Hokkaido werden durch je zwei Teams vertreten. Tokyo ist die bevölkerungsreichste Präfektur mit den meisten an den Vorentscheiden teilnehmenden Schulen, Hokkaido ist die größte Präfektur Japans.

Die meisten Schüler, die am Kōshien teilnehmen, sind in ihrem dritten Jahr der Oberschule, also der zwölften Klasse. Das Tournament stellt für viele das letzte große Spiel ihrer Baseballkarriere dar. Zwar haben so gut wie alle professionellen Baseballspieler Japans (natürlich auch der Lieblingssohn der Nation, Ohtani Shohei) beim Kōshien gespielt – aber nur die wenigsten Kōshien-Spieler werden Baseball als Karriere fortführen können.

Was macht Kōshien besonders?

Genau das macht Kōshien für mich aus. Es sind keine professionellen Spieler, sondern junge Menschen, die über Jahre auf dieses Ziel hingearbeitet haben. Die Teams sind über Jahre zusammengewachsen und am Spielfeldrand sieht man sie oft miteinander herumblödeln um dann wieder ernst und kozentriert auf dem Spielfeld zu stehen.

Für die Jugendlichen steht viel auf dem Spiel, dementsprechend groß sind auch die Gefühle. Während der Spielpausen werden Briefe z.B. der Teammanager oder der Anfeuerungsgruppe an das Team vorgelesen, und ich verdrücke dabei immer ein paar Tränchen.

Außerdem ein großer Spaß: Versuchen die Lesung der Kanji der Namen der Spieler zu erraten. Oft ist das gar nicht so einfach. 😀

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Wo kann man es gucken?

Das Finale des diesjährigen Tourniers wird am 23. August um 10:00 Uhr Ortszeit (das ist in Deutschland 3 Uhr nachts) ausgetragen werden. Auch die Spiele davor werden von morgens um 8 Uhr ausgetragen, was für Deutschland denkbar ungünstig liegt. Zu humanen Zeiten findet da eigentlich immer nur das letzte Spiel des Tages statt, nämlich ab etwa 15:30 Uhr (8:30 Uhr in Deutschland).

In Japan kann man alle Spiele kostenlos live bei バーチャル高校野球 (Virtual Kōkōyakyū) sehen. Die Seite funktioniert leider nicht aus dem Ausland, aber ich glaube dafür wurden VPNs erfunden. Viele bieten einen kostenlosen Probemonat an. 🙂


Ich muss dann mal wieder, Baseball gucken!

Titelbild auf Grundlage eines Fotos von 百楽兎 auf Wikipedia, unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported Lizenz

Veröffentlicht in: Sport

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