Ich verspreche: Das Titelbild ergibt Sinn! Wirklich!
Der tokyoter Sommer ist heiß. Das ist nun zwar wahrlich keine neue Erkenntnis, doch wir haben dieses Jahr beschlossen einige der sogenannten 避暑地 (Hishochi), Hitzevermeidungsorte, zu besuchen.
Oftmals werde ich gefragt, ob man im Sommer nicht einfach in den Norden des Landes fahren könnte – dabei wird aber die in Japan wichtigste Stellschraube, wenn es um die Temperaturen geht, übersehen: Höhe.
Wenn es am Meer und in den Tälern brodelt, flieht man einfach in die Berge. Das hat unter anderem den Vorteil, dass sie direkt vor Tokyos Haustür zu finden sind. Ein Hoch auf die Geographie Japans!

Nikkō (日光) ist bei Touristen ein vor allem wegen seiner Tempelanlagen, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen, sehr beliebtes Reiseziel. Tatsächlich hat es ein wenig Nikkō auch in jedes Smartphone geschafft: Die Tempelanlage ist berühmt für ihre Darstellung der drei Affen (🙊🙉🙈). Eigentlich hatten wir auch vor, uns den Tempel anzusehen, aber dann hat ein Kratzer im Lack unseres Autos die Stimmung meines Mannes dermaßen vermiest, dass wir den Ausflug früher als geplant beendet haben. Zum Glück hatten wir uns davor schon so einiges angesehen.
Während der Stadtkern Nikkōs, in dem sich auch der Tempel befindet, mit der Bahn von Tokyo aus gut zu erreichen sind, muss man für vieles entweder in einen Bus steigen oder direkt mit dem Auto kommen.

So auch bei der Sumpflandschaft Senjōgahara (戦場ヶ原). Deren Name bedeutet wortwörtlich Schlachtfeld. Wer dort gekämpft hat? Die Götter, natürlich. Der Legende nach haben dort die Götter der angrenzenden Berge Nantaisan (男体山) und Akagiyama (赤城山) in Form einer riesigen Schlange bzw. eines riesigen Hundertfüßlers um den Anspruch auf den naheliegenden See Chūzenji (中禅寺湖) gekämpft. Gewonnen hat die Riesenschlange des Nantaisan.
Bei gutem Wetter kann man in dem Gebiet spazieren gehen oder sogar wandern, doch das Wetter in den Bergen ist wechselhaft und wir wurden immer wieder von Regen heimgesucht.

In der Nähe befindet sich Okunikkō (奥日光), das hintere Nikkō. Auch hier gibt es wunderschöne Wanderwege, aber besonders faszinierend fand ich, dass man sich direkt heiße Quellen (Onsen) ansehen kann. Die umliegenden Hotels und Badehäuser haben sich hier ihr kleines Stück von der Quelle, aus dem sie ihr heißes Wasser beziehen, gesichert.



Auch spannend fand ich einen kleinen Tempel mit direktem Anschluss an einen Onsen. Passenderweise heißt der auch Nikkōzan Onsen-ji (日光山温泉時), also Nikkō-Berg-Onsen-Tempel. Es gibt ihn wohl schon seit über 1200 Jahren, er wurde erbaut nachdem Menschen auf die heißen Quellen stießen.

Die Tierwelt ist offenbar auch begeistert. Um die heißen Quellen herum trifft man immer wieder auf Rehe. Anders als in Nara werden sie von Menschen nicht gefüttert und sehen einen deswegen nicht als Nahrungsquelle, aber offenbar haben sie auch keine große Angst.
Um Nikkō herum befinden sich viele Wasserfälle, wir machten einen kurzen Halt bei einem und genossen die Aussicht. Wasserfälle sind in Japan wahrlich nichts Seltenes – Berge und Wasser haben wir genug – aber ich finde sie immer wieder beeindruckend.

Auf dem Weg zurück ins Zentrum Nikkōs sah ich aus dem Autofenster den Schrein Nikkō Futa’arasan-Jinja (日光二荒山神社), der eine wunderbare Aussicht auf den See Chūzenji bietet, und bat meinen Mann, anzuhalten. In diesem Schrein wird der Gott des Berges Nantaisan – wir erinnern uns, das ist der, der den Götterkrieg um den See Chūzenji mithilfe einer Riesenschlange gewonnen hatte – verehrt.



Der Name Futa’arasan ist dabei der alte Name für den Nantaisan und der Ursprung des Ortsnamens Nikkō. Aber wie kommt man von Futa’arasan auf Nikkō? Die Zeichen für Futa’ara wurden damals Nikō gelesen, der Sprung zu Nikkō war dann nicht mehr weit. Die Kanji für Nikkō hat man erst später entschieden. Nikkō (日光) bedeutet Sonnenlicht.


Eigentlich war der Plan gewesen, uns nach einem Mittagessen auf Basis von Yuba – das ist die “Haut”, die bei der Erhitzung von Sojamilch entsteht – noch die Innenstadt Nikkōs anzusehen, aber dann machte uns ein unglaublich enger Parkplatz einen Strich durch die Rechnung. Inzwischen ist der Kratzer beseitigt, aber der Tag war damit im Eimer. So kann’s gehen. Zum Glück ist Nikkō nicht weit weg und die Innenstadt ist auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln hervorragend erreichbar.