Okayama (岡山県) ist eine Präfektur, die die meisten auf dem Weg nach Hiroshima nur durchfahren. Zwischen Hyōgo (Kōbe, Himeji) und Hiroshima gelegen verblasst sie einfach ein wenig. Aber als wir beschlossen, mit meinen Eltern im Herbst irgendwo hinzufahren, war sie schnell in der näheren Auswahl.
Die Gründe waren dieselben, wie bereits in Nara vor einem Jahr: Die Touristenorte sind sehr zentriert, nicht all zu viele Leute verlaufen sich unter der Woche dorthin und es gibt viel Platz für unseren Sohn zum Laufen.
Außerdem ist Okayama die Präfektur mit den wenigsten Regentagen im ganzen Land!
Die dreistündige Fahrt von Tokyo aus überstanden wir, auch dank YouTube, ganz gut. Der Shinkansen ist und bleibt das bequemste Beförderungsmittel!
In Okayama-Stadt angekommen verstauten wir unser Gepäck und liefen fast zwei Kilometer zur Burg Okayama (岡山城 Okayama-jō). Auf dem Weg liefen wir an einigen Momotarō-Statuen vorbei. Die wahrscheinlich (die Geister scheiden sich) aus Okayama stammende Legende Momotarō (桃太郎) dreht sich um einen Jungen, der aus einem riesigen Pfirsich (Momo) schlüpft und mit einem Hund, einem Affen und einem Fassan gegen böse Dämonen kämpft. Die Bremer Stadtmusikanten, nur mit weniger Musik und mehr Dämonen. Wegen dieser Legende sind Pfirsiche als Motiv in Okayama auch sehr beliebt.
Die Burg Okayama wurde erst Anfang November wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, nachdem sie unter anderem erdbebensicher gemacht worden war. Die Burg ist eine Betonkonstruktion, geschichtlich bedingt sind Burgen im Originalzustand sehr rar. In diesem Fall wurde die ursprüngliche Burg durch einen Bombenangriff im zweiten Weltkrieg niedergebrannt. In Okayama wurden zwar Waffen gelagert und die Stadt war auch für die Güterlogistik wichtig, aber der Luftangriff sollte vor allem der normalen Bevölkerung den Krieg madig machen. Innerhalb von zwei Stunden 40 Minuten wurden etwa 9.500 Bomben abgefeuert und über 1700 Menschen starben.
Etwa 20 Jahre später wurde die Burg wieder aufgebaut.
Während die meisten Burgen in Japan weiß sind, ist diese hier schwarz und wird deswegen auch Krähenburg (烏城 Ujō) oder Goldkrähenburg (金烏城 Kinujō) genannt. Im Burggarten, den man kostenlos besuchen kann, gibt es eine Lichtinstallation, für die wir aber zu früh da waren. Das Innere der Burg zu besuchen kostet Eintritt.
Dafür gibt es eine ausführliche Ausstellung zur Geschichte der Burg – Leider großteils auf Japanisch. Zu einigen Panels gibt es aber auch englische Versionen, die man per QR Code aufrufen kann. Für japanische Geschichtslaien wie mich war es um ehrlich zu sein nicht ganz so spannend, aber immerhin sehr schön aufgemacht.
Da das Gebäude nur ein Nachbau ist, ist es mit einem Fahrstuhl und Klimaanlagen ausgestattet, was den Besuch angenehm gestaltet. Im Gegenzug fühlt man sich aber auch nicht wirklich wie in einer Burg.
Im letzten Teil der Ausstellung kann man so einiges selbst ausprobieren: Z.B. ein Schwert anheben oder sich in eine Sänfte setzen. Eigentlich kann man sogar Kimono anprobieren, aber das war wegen Corona leider nicht möglich.
Durch eine Fußgängerbrücke kommt man von der Burg direkt zum Kōrakuen (後楽園), einem der drei wichtigsten Gärten Japans. Er erstreckt sich über 13 Hektar Land und wurde nach 14 Jahren Bauzeit im Jahr 1700 fertiggestellt. Ursprünglich war ein großer Teil des Gartens mit Reisfeldern belegt, weil der derzeitige Burgherr solche Landschaften schätzte.
Als während des Krieges Nahrungsmittel knapp waren, wurden im Garten Kartoffeln angebaut. Nach dem Krieg wurde der Garten als Stützpunkt der alliierten Streitkräfte genutzt, die unter anderem ein Schwimmbecken bauen ließen. Nachdem sie den Stützpunkt verließen, wurde viel Geld darauf verwendet, den Garten wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen.
Im Garten gibt es noch immer einige Reisfelder und sogar eine kleine Teeplantage. Um die weiten Wiesen etwas interessanter zu gestalten, sind auf ihnen Schirme aufgestellt, die im Dunkeln auch beleuchtet werden.
Für unseren Sohn waren übrigens die riesigen Koi-Karpfen im Teich die größte Attraktion. Wir mussten ihn sehr davon abhalten, mit ihnen schwimmen zu gehen.
Nach dem langen Tag war Bocchan so erschöpft, dass wir einen Restaurantbesuch vorzeitig abbrechen mussten und den Abend im Hotel verbrachten. So ist’s eben manchmal, wenn man mit kleinen Kindern reist. 🙂 Aber zum Glück war unsere Reise ja noch nicht vorbei.
Schöner Bericht mit noch schöneren Fotos! Danke dafür.